Der Pfeil der Rache
der Nähe gurrte eine Ringeltaube. Hobbey lächelte. »Dort«, sagte er. »Zwei davon, hoch oben, seht Ihr sie?«
Ich entdeckte die Stelle, wo zwei der dicken grauen Vögel auf einem Ast hockten. »Wie sehr sich diese Szene doch von dem Gestank in London unterscheidet«, bemerkte Dyrick.
»O ja«, antwortete Hobbey. »Wie oft hatte ich mir einen Ort wie diesen erträumt, während ich in meiner Kanzlei saß und bei Ebbe den Unrat am Themseufer vor Augen hatte. So friedvoll und still.« Er schüttelte den Kopf. »Dabei halten sich ganz in der Nähe die Truppen bereit für die Schlacht, eine seltsame Vorstellung.« Er seufzte. »Und wir sehen diese Vorbereitungen morgen in Portsmouth. Dabei hatte ich mir immer nur ein friedliches Leben gewünscht für mich und die meinen.« Er sah mich an, aufrichtigen Kummer im Blick. »Ich wünschte, Hugh und mein Sohn wären nicht so erpicht auf den Krieg.«
»Da stimme ich Euch zu, Sir«, sagte ich. Ich sah Hobbey plötzlich von einer anderen Seite. Er war gierig, hochnäsig, wahrscheinlich korrupt, aber er war auch seiner Familie und dem stillen Landleben zugetan, das er sich erhofft hatte. Und sicherlich war er keiner, der zwei Morde in Auftrag gab.
»Auch Vincent hat heute einen Brief erhalten.« Hobbey wandte sich Dyrick zu. »Habt Ihr Nachricht erhalten von Eurer Gemahlin und den Kindern?«
»Meine Frau schreibt mir, unsere Töchter seien aufsässig und würden mich vermissen.« Dyrick warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »So schön es hier bei Euch ist, Sir, so wäre ich doch gern wieder zu Hause.«
»Nun, das werdet Ihr hoffentlich bald sein.«
»Sofern Master Shardlake es gestattet«, sagte Abigail bitter.
»Na komm, meine Liebe«, sagte Hobbey beschwichtigend. Sie antwortete nicht, blickte zu Boden und nippte an ihrem Becher Wein. »Wie seid Ihr in Sussex vorangekommen, Bruder Shardlake?«, fragte Dyrick. »Fulstowe meint, es habe Komplikationen gegeben.« Er lächelte, weil er mir zeigen konnte, dass er sich innerhalb des Informationsnetzes im Hause befand.
»Die Sache ist verworrener, als ich es erwartet hatte. Aber das ist ja in vielen Fällen so.« Ich erwiderte seinen Blick. »Oftmals treten unerwartete Schichten zutage.«
»Wurde wieder einmal ein bedauernswerter Landeigner von seinem Pächter verklagt und setzt sich nun zur Wehr?«
»Aber, Bruder!«, versetzte ich unwirsch. »Ich darf es Euch nicht sagen. Die Sache ist vertraulich.«
»Gewiss. Nun, der arme Landeigner kann sich ja bei mir Rat einholen.«
»Master Shardlake«, fragte Hobbey. »Lässt sich die Angelegenheit hier noch vor unserer Jagd erledigen? Was meint Ihr?«
»Ich weiß es nicht. Ich muss herausfinden, was Priddis zu sagen hat.«
Dyrick wurde rot im Gesicht. »Herrgott, natürlich sind wir bis dahin fertig. Ihr zieht die Sache grundlos in die Länge!«
Hobbey hob die Hand. »Kein Zank, meine Herren, ich bitte Euch. Seht, die beiden Jungen sind wieder da.«
Hugh und David schritten durch das Tor, die großen Windhunde an den Leinen. David hatte sich den Ranzen mit dem Wildbret über die Schulter geworfen.
»Die Hunde!«, rief Abigail aus. »Habe ich nicht ausdrücklich verlangt, man möge die hintere Pforte nehmen –«
Da geschah es, und es ging so schnell, dass keiner von uns die Zeit hatte, mehr zu tun, als entsetzt zu starren. Beide Hunde wandten die langen Schnauzen Lamkin zu. Das Hündchen sprang auf. Da glitt die Leine aus Davids Hand und flog dem großen Hund hinterher, der mit riesigen Sätzen geradewegs auf Lamkin zuhielt. Hughs Hund zerrte an der Leine, bis sie auch ihm entglitt. Lamkin nahm Reißaus, rannte unvermutet flink auf den Blumengarten zu, aber wenige Tiere auf Erden hätten diesen Windhunden entkommen können. Davids Hund holte den kleinen Spaniel zwischen den Blumen ein und packte ihn. Ich sah die weißen Beinchen strampeln, als der Hund die Kiefer um den zuckenden kleinen Leib schloss. Blut spritzte. Der Windhund sprang zu David zurück und warf ihm Lamkin vor die Füße, ein schlaffes Häufchen blutiges Fell. Abigail stand auf, die Finger in den Wangen verkrallt. Ein entsetzlicher Ton entrang sich ihrer Brust, weniger ein Schrei als ein wildes Klagegeheul.
Hugh sah erschrocken drein. David starrte auf den blutigen Haufen Fell auf dem Boden, den die Hunde zu zerreißen begannen. Aber ich hatte um seine Mundwinkel ein winziges Lächeln spielen sehen, als er die Leine losgelassen hatte. Hughs Miene war gefasst, ohne Ausdruck. Hatten dies beide geplant
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