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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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etwas mitteilen.«
    Ich nahm Platz. Er sagte leise: »Meine Frau ist schon seit Jahren nicht mehr wirklich gesund, seit die arme Emma starb. Sie leidet an unerklärlichen Ängsten, an Hirngespinsten. Bitte betrachtet ihren Ausbruch vorhin unter diesem Gesichtspunkt. Ich muss gestehen, dass ich Euch verschwiegen habe, wie – wie aufgebracht sie werden kann.« Seine blasse Haut rötete sich. »Auch Master Dyrick ahnte nichts von ihrem – gesundheitlichen Zustand.«
    Ich sah Dyrick an. Er blickte stirnrunzelnd zu Boden. Hobbey fuhr fort. »Abigail liebt die beiden Jungen. Doch ihr Gebaren zuweilen – es erklärt Hughs Distanziertheit ihr gegenüber. Die von David ebenso. Vorhin, da – da glaubte sie wohl allen Ernstes, David habe Ajax absichtlich auf Lamkin gehetzt.«
    Ich starrte ihn an. Hatte er Davids Grinsen nicht bemerkt? Ich wandte mich Dyrick zu. Er blickte beiseite. Er hatte es also auch gesehen. Ich fragte Hobbey: »Was meinte Eure Frau, als sie mich einen Narren schalt, der mit sehenden Augen blind sei?«
    »Ich weiß es nicht. Sie leidet des Öfteren an solchen – Hirngespinsten.« Er setzte sich auf und breitete die schmalen weißen Hände weit aus. »Doch hat sie niemals im Zorn die Hand erhoben gegen Hugh, auch nicht gegen unseren Sohn, bis heute. Das müsst Ihr mir glauben.«
    Es erschien mir durchaus plausibel, Davids Entsetzen nach zu urteilen, als seine Mutter auf ihn einprügelte; eingedenk dessen, was er ihr angetan hatte, war ihre Reaktion begreiflich. »Sie sagte, Hugh und David seien nicht normal. Was meinte sie damit?«
    »Ich weiß es nicht.« Hobbey wich meinem Blick aus. Er lügt, dachte ich mir. Als er mich erneut ansah, hatte sein Gesicht wieder diesen traurigen Ausdruck angenommen. »Abigail ist übrigens der Grund, warum wir so wenig unter Menschen gehen. Sie will niemanden sehen.« Er presste die Lippen aufeinander. »Aber diese Jagd wird stattfinden.«
    »Es tut mir leid Sir, dass Eure Gemahlin so unglücklich ist. Der Verlust ihres Hündchens wird sie gewiss noch mehr verstören.«
    »O ja«, sagte Hobbey mit einer Spur Bitterkeit. »Lamkin war ihr Leben.« Er erhob sich, und etwas Schweres, Widerstrebendes kroch in seine Bewegungen. »Nun, das Nachtmahl ist aufgetragen. Wir müssen etwas essen. Und vor den Bediensteten den Schein wahren. Abigail wird nicht mit uns speisen. Sie bleibt in ihrem Zimmer.«
    * * *
    Es war ein düsteres Mahl. Fulstowe saß an diesem Abend mit uns zu Tisch. Dass der Steward eines vermögenden Hauses zuweilen mit der Herrschaft speiste, war nichts Ungewöhnliches, aber die Art und Weise, wie sein Blick zwischen Hobbey, Hugh und David hin und her huschte, als überwache er ihr Verhalten, mutete doch eigenartig an. Man hätte meinen können, wie schon Barak treffend festgestellt hatte, dass Fulstowe der Herr im Hause sei.
    Es wurde wenig gesprochen. Ich blickte von einem zum anderen, forschte nach etwas, das mir offenbar verborgen war; doch ich fand nichts. Davids Augen waren rot gerändert, und er wirkte zerknirscht, wie er zusammengesunken da saß. Hugh neben ihm hielt den Blick gesenkt, war ganz auf die Speisen konzentriert. Seine Miene war ausdruckslos, und doch spürte ich seine Anspannung.
    Gegen Ende des Mahls legte David plötzlich den Löffel nieder und begrub sein Gesicht in den Händen. Seine schweren Schultern bebten, als er lautlos zu weinen begann. Sein Vater langte über den Tisch und berührte seinen Arm. »Es war ein Unfall«, sagte er sanft, wie zu einem kleinen Kind. »Deine Mutter wird es noch einsehen. Alles wird gut, wirst schon sehen.« Hugh an Davids Seite wandte den Blick ab. War er eifersüchtig, fragte ich mich, dass Hobbey seinen Sohn David bevorzugte? Ach nein, dachte ich, sie sind ihm einerlei, einer wie der andere.
    * * *
    Nach dem Essen begab ich mich zu Dyricks Zimmer. Ich klopfte, und er bat mich mit barscher Stimme einzutreten. Er saß an einem kleinen Schreibpult und las im Kerzenschein einen Brief. Er blickte auf, und ich las Ablehnung in seinem schmalen Gesicht.
    »Der Brief Eurer Frau, Bruder?«, fragte ich höflich.
    »Ja, ich soll nach Hause kommen.«
    »Was für eine abscheuliche Szene heute im Garten! Der Tod des Hündchens, dazu noch Mistress Hobbeys Ausbruch …«
    »Hugh wurde kein Haar gekrümmt«, entgegnete Dyrick schroff.
    »Was Abigail sagte, war eigenartig, findet Ihr nicht? Hugh und David nannte sie nicht normal und mich schalt sie blind.«
    Er winkte ab. »Sie ist verstört.«
    »Hatte Hobbey Euch

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