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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Bruder! Ihr habt Sir Quintin gehört, er wird sein Anliegen nicht herumposaunen.«
    Wir stiegen schweigend nach unten. Der Schreiber, der uns den Weg nach oben gewiesen hatte, sprach in unterwürfigem Ton mit zwei Männern, die im Eingang standen. Beide trugen pelzverbrämte Gewänder und Kappen, ungeachtet der Julihitze, und ein jeder trug eine dicke Goldkette um den Hals. Sie drehten sich zu uns um, und ich erkannte Sir William Paulet und Sir Richard Rich. Ich erschrak so heftig, dass ich am Fuße der Treppe wie vom Donner gerührt innehielt und Hobbey mich von hinten anstieß. Paulet warf mir einen strengen Blick zu, Rich aber rief aus:
    »Master Shardlake! Wir wollen Euch nicht fressen. Bei meiner Treu, Ihr seid nervös geworden seit Eurem Aufenthalt im Tower.«
    Das Wort ›Tower‹ ließ die Gespräche der Menschen in der Halle augenblicklich verstummen. Alles wandte die Köpfe.
    »Eure Ermittlungen gehen voran, Bruder Shardlake?«, fragte Paulet kühl. »Wie lange seid Ihr schon hier, eine Woche?«
    »Fünf Tage, Sir William.«
    Rich setzte sein dünnes Lächeln auf. »O, unser Master Shardlake war schon immer ein beharrlicher Bursche. Obwohl seine Beharrlichkeit ihm schon etliche Male Verdruss einbrachte.«
    »Immerhin bleibe ich innerhalb der gesetzlichen Grenzen«, versetzte ich mit Nachdruck.
    »Wie wir alle«, antwortete Rich.
    »Ihr habt also Sir Quintin Priddis aufgesucht?«, fragte Paulet.
    »In der Tat, Sir.«
    »Quintin Priddis, soso.« Sir Richards graue Augen weiteten sich vor Neugier.
    »Er ist der Lehnsrichter von Hampshire«, sagte Paulet.
    »Ich kenne Sir Quintin seit der Studentenzeit vor dreißig Jahren, verdanke ihm einige interessante Einsichten, was die Anwendung des Gesetzes anbelangt. Nun, die Welt ganz oben ist klein. Und ein jeder, der Rang und Namen hat, ist jetzt nach Portsmouth unterwegs. Ihr solltet daher nicht so baß erstaunt sein, mich hier zu sehen, Master Shardlake.«
    »Ich wusste, dass Ihr kommen würdet, Sir Richard. Ihr seid vorige Woche an uns vorübergeritten.«
    »Ich habe Euch nicht gesehen.«
    »Ich reiste mit einer Kompanie Soldaten.«
    »Soldaten, wie? Nun ja, ich bin mit den Geldern betraut, die für den Proviant der Armee vorgesehen sind, wie schon voriges Jahr in Frankreich. Ich habe dafür zu sorgen, dass die Kaufleute den König nicht betrügen.« Er schmiegte das spitze kleine Kinn in seinen Pelzkragen, genoß sichtlich seine Macht. »Statthalter Paulet sucht meinen Rat zum Thema Sicherheit«, fuhr er fort. »Soldaten und Seeleute, die in die Stadt kommen, geraten Nacht für Nacht aneinander. Wenn wir noch einige hängen könnten –«
    »Wir sind ohnehin schon knapp an Männern«, versetzte Paulet. »Also können wir die wenigen, die wir haben, nicht auch noch kurzerhand an den Galgen bringen. Ich spreche noch einmal mit den Offizieren. Nun, Sir Richard, der Herr Bürgermeister wartet –«
    »Einen Augenblick, Sir William«, sagte Rich leise. »Ich möchte kurz mit meinem Freund Shardlake sprechen.« Er winkte uns weiter. »Alle anderen dürfen gehen.« Da Barak noch zögerte, fauchte Rich: »Du auch, Jack Barak. Hast deine Nase überall, seit du Lord Cromwell zu Diensten warst, der nun einen Kopf kürzer ist.« Barak wandte sich widerstrebend dem Ausgang zu und folgte den anderen nach draußen.
    »Nun, Matthew Shardlake.« Rich trat ganz nah an mich heran. Ich sah die schweren goldenen Glieder seiner Kette, die Glätte seiner schmalen Wangen und roch den Knoblauch in seinem Atem. »Hört gut zu. Es ist an der Zeit, dass Ihr Eure Pflicht hier erledigt und schleunigst nach London zurückkehrt. Der König und die Königin sind in Godalming eingetroffen und werden um die Mitte der kommenden Woche hier in Portsmouth sein. Soweit ich weiß, ahnt der König nicht, dass Ihr mit seiner Königin befreundet seid. Und sollte er es erfahren und Euch hier antreffen, könnte er ungnädig gegen Euch sein.« Er beugte sich vor und rammte mir den dünnen Finger in die Brust. »Höchste Zeit, dass Ihr Euch aus dem Staube macht.«
    »Sir Richard«, fragte ich ruhig, »was kümmert es Euch, wo ich bin und was ich tue?«
    Rich neigte den Kopf zur Seite und lächelte. »Weil ich Euch nicht ausstehen kann. Euer krummer Rücken missfällt mir ebenso wie Eure lange Nase und Eure huschenden, stets kritisch dreinblickenden Knopfaugen. Zudem bin ich Mitglied im Geheimen Kronrat Seiner Majestät; wenn ich also sage, es sei an der Zeit, sich aus dem Staub zu machen, dann empfehlt Euch

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