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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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werden, Matthew. Habt Ihr die Flotte gesehen?«
    »O ja. Ich habe dergleichen noch nie zuvor gesehen, nicht einmal in York. Diese großen Schiffe. Vorhin lief eine riesige Galeere ein. Die
Gally Subtle
, wie Hugh Curteys sie nannte.«
    »Der treffliche Bogenschütze? Ein bemerkenswertes Können. Ja, ich hörte schon, dass die
Gally Subtle
angekommen ist. Sie wird nicht viel ausrichten gegen die zweiundzwanzig ihrer Sorte, die die Franzosen angeblich haben. Sie ist mit mächtigen Kanonen bestückt und wird von Sklaven gerudert, die geübt sind in der Kriegskunst des Mittelmeerraums. Wenn sie nah genug herankommen, versenken sie unsere großen Schiffe, ehe diese ihre Kanonen abfeuern können. Unsere Galeassen sind im Vergleich dazu behäbig. Und die Franzosen verfügen über mehr als zweihundert Kriegsschiffe; selbst wenn unsere Schiffe nahe genug an sie herankämen, um mit den ihren zu kämpfen, wären sie hoffnungslos in der Minderzahl. Heute kam die Nachricht, dass unsere Kompanie auf der
Great Harry
postiert werden soll, aber noch ist es nicht entschieden. Es hätte immerhin den Vorteil, dass jenes Schiff größer ist als die französischen. So wären unsere Bogenschützen imstande, von einer höheren Warte aus auf ihre Decks herunterzuschießen. Wenn sie aber mit Netzen ausgestattet sind, müssten wir diese durchstoßen.«
    »Bei unserer Ankunft hier fiel mir etwas ins Auge, das wie ein Netz aussah, oben auf dem Heckkastell der
Mary Rose

    »Alle großen Kriegsschiffe lassen ihre Oberdecks mit Netzen sichern, um ein Entern zu verhindern. Wenn die Schiffe aufeinanderstießen und französische Soldaten versuchten, an Bord unserer Schiffe zu klettern, würden wir sie auf dem Netzwerk erwischen. Wir bringen Pikeniere unterhalb des Netzes in Stellung, damit sie nach ihnen stechen, bevor diese mit ihren Messern die Taue durchschneiden können.« Er sah mich an. »Es wird ein harter, grausamer Kampf, wenn die Kriegsschiffe aufeinanderstoßen.«
    »Hugh meinte, die Kanonen in den Festungen hielten die Franzosen davon ab, in den Hafen vorzudringen.«
    »Wenn es ihnen gelänge, unsere Flotte außer Gefecht zu setzen, könnten ihre Galeeren an der Küste von Portsea landen. Aus diesem Grunde sind so viele Soldaten in der Gegend in Stellung gebracht. Und falls die französische Armee tatsächlich dreißigtausend Mann stark ist – nun ja, wir verfügen etwa über sechstausend Soldaten, viele davon ausländische Söldner. Niemand weiß, wie die Bürgerwehren sich machen. Sie sind beherzt, aber wenig ausgebildet. Wir befürchten, dass die Franzosen irgendwo auf der Insel Portsea landen und sie vom Festland abschneiden. Der König selbst könnte in Portsmouth in Bedrängnis geraten. Man bereitet sich dort auf eine Belagerung vor, Ihr habt es ja gesehen.«
    »So schlimm steht es schon?«
    »Der Zufall wird wohl eine große Rolle spielen. In einer Seeschlacht hängt alles von den Winden ab, die in dieser Gegend unberechenbar sind, sagen die Seeleute. Dieser Umstand könnte unsere Rettung oder unser Verderben sein.« Nach kurzem Schweigen sagte er: »Reitet fort, sobald Ihr könnt, ich rate es Euch dringend.«
    Ich dachte an Rich. »Den Rat hat mir heute schon jemand gegeben.«
    »Es kommt vielleicht zu schweren Gefechten entlang der Küste.«
    »Werdet Ihr dort in Stellung gehen oder auf den Schiffen, was meint Ihr?«
    »Ich weiß es nicht. Aber wie es auch kommt, meine Männer und ich werden unser Volk verteidigen, daran dürft Ihr nicht zweifeln.«
    »Das tue ich nicht. Nicht einen Moment.« Leacon hatte die Hände auf die Knie gelegt, und ich sah, dass die eine wieder zitterte. Er ballte sie zur Faust.
    »Ich bete zu Gott, dass es nicht dazu kommt«, sagte ich still.
    »Amen.« Er sah mich an. »Ihr habt Euch sehr verändert seit York, Matthew. Es kommt mir vor, als hättet Ihr eine schwere Last zu tragen, aus Angst und Traurigkeit.«
    »So?« Ich seufzte schwer. »Nun ja, vielleicht habe ich ja Grund dazu. Vor vier Jahren ertränkte ich einen Menschen. Zwei Jahre danach wäre ich um ein Haar selbst ertrunken, mit einem Geisteskranken in der Kanalisation eingeschlossen. Seitdem –« Ich stockte. »Ich bin die Themse gewöhnt, George, aber die See – Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit ich aus Yorkshire zurückgekehrt war. Sie erscheint mir so unendlich weit, und sie macht mir Angst, ich gebe es zu.«
    »Ihr seid nicht mehr der Jüngste, Matthew«, sagte er sanft, »weit über vierzig.«
    »Tja, und etliche graue Haare

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