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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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haben sich auch schon unter die schwarzen gemischt.«
    »Ihr solltet heiraten, zur Ruhe kommen, ein beschauliches Leben führen.«
    »Vor einer Weile gab es eine Frau, die ich heiraten wollte, die Witwe eines Freundes. Sie lebt jetzt in Bristol, schreibt mir von Zeit zu Zeit. Sie ist in meinem Alter, und in ihrem letzten Brief stand, dass sie bald Großmutter wird. Ja, in der Tat, ich werde langsam alt.«
    Stimmen aus dem Spital ließen uns aufmerken. Im Eingang waren Männer in leuchtenden Wämsern im Begriff, sich die Schwerter um den Leib zu schnallen. Diener führten die Pferde aus den Stallungen. Leacon erhob sich. »Ich lasse Euch jetzt allein. Wir sehen uns im Lager. Gebt auf Euch acht.« Er legte mir die Hand auf die Schulter, machte kehrt und schritt auf die Pforte zu. Ich blickte ihm nach, wie er kerzengerade und mit langen Schritten davonging.
    * * *
    Vor dem Spital lieferten zwei Männer sich eine Auseinandersetzung, umgeben von einer Gruppe Schaulustiger. Der eine war groß und graubärtig, vornehm gekleidet und mit einem Schwert bewehrt; der andere trug den Mantel eines Schreibers. Ich hörte den großen Mann mit tragender Stimme rufen: »Wenn ich es Euch sage, mit dreihundert Soldaten zu zweihundert Seeleuten und all den Kanonen ist sie überladen! Und habt Ihr an das Gewicht all der Vorräte gedacht, wenn wir fünfhundert Mann verköstigen sollen?« Der Beamte erwiderte etwas. »Unsinn«, rief daraufhin der Graubärtige. Der Schreiber zuckte die Schultern und ging davon. Der andere Mann löste sich aus der Gruppe und schritt auf mich zu. Als er näher kam, sah ich, dass Philip West nicht nur grau, sondern auch bereits halb kahl war. Er trug einen kurzen Rock und ein Wams mit hohem Kragen und Knöpfen aus Atlas. Der Hemdkragen war in der neuen Manier zu einer kleinen Halskrause aufgestellt. Er blieb vor mir stehen. Sein gebräuntes, wettergegerbtes Gesicht wies tiefe Furchen auf, seine Miene war angespannt. Er runzelte verwirrt die Stirn. »Ist die Nachricht von Euch?«, fragte er mit tiefer Stimme.
    Ich erhob mich steif. »Jawohl, Sir, wenn Ihr Master West seid.«
    »Ich bin Philip West, stellvertretender Proviantmeister auf der
Mary Rose
. Was hat ein Rechtsanwalt mit mir zu besprechen?«
    Ich verneigte mich. »Ich bin Sergeant Matthew Shardlake. Ich behellige Euch ungern, Sir, aber ich versuche, jemanden aufzuspüren. Für einen meiner Mandanten.« Ich forschte in Wests Gesicht. Wenn er um die vierzig war, dann war er früh gealtert. Seine kleinen, tiefliegenden braunen Augen maßen mich prüfend, und insgesamt hatte er das Gebaren eines Mannes, dem eine große Verantwortung auferlegt war.
    »Wen sucht Ihr? Schnell, Mann, ich habe wenig Zeit.«
    Ich holte tief Luft. »Eine Frau aus Rolfswood. Ellen Fettiplace.«
    Wests Schultern sackten nach unten, als hätte man ihm eine letzte, untragbare Bürde aufgeladen. »Ellen?«, sagte er still. »Was soll das? Ich habe seit neunzehn Jahren nichts von ihr gehört. Dann sah ich vor zwei Tagen Priddis in die Stadt reiten oder was von ihm noch übrig ist. Und jetzt kommt Ihr.«
    »Einer meiner Mandanten forscht nach Angehörigen; auf diese Weise hat er in Erfahrung gebracht, dass in Rolfswood eine Familie namens Fettiplace lebte. Da ich von Berufs wegen nach Hampshire reisen musste, hörte ich mich im Ort ein wenig um.«
    West sah mich eindringlich an. »Ihr wisst also nicht, ob sie noch am Leben ist?«
    Ich zögerte. »Nein.« Ich hatte das Gefühl, als ziehe mich jede Lüge noch tiefer in einen Sumpf. »Nur, dass ihr Verstand bei dem Unfall zu Schaden kam und sie nach London gebracht wurde.«
    »Und damit kommt Ihr jetzt zu mir, nur weil jemand seine törichte Neugier befriedigen will, aus keinem anderen Grund?« West war im Zorn laut geworden.
    »Mein Mandant würde Ellen zweifellos helfen, wenn er wüsste, wo sie ist.«
    »Und er heißt Fettiplace? Kennt er in London niemanden dieses Namens? Weiß er nichts von ihr?« Er runzelte die Stirn, und seine Augen sahen mich forschend an.
    »Nein, Sir. Aus diesem Grund sucht er ja nach Verwandten.«
    West setzte sich auf die Bank, die ich verlassen hatte, blickte beiseite und schüttelte mehrmals den Kopf, als mühe er sich um Klarheit. Als er wieder das Wort ergriff, hatte sein Ton sich gänzlich geändert. »Ellen Fettiplace war die Liebe meines Lebens«, sagte er mit ruhiger Eindringlichkeit. »Ich wollte sie um ihre Hand bitten, ungeachtet –« Er sprach den Satz nicht zu Ende. »Am Tage des Feuers ritt ich

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