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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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mir saß in dem Häuschen, das ich dank der Großzügigkeit der Königin nun mein Eigen nenne. Im Schein der Flammen wirkte sein Gesicht zerfurcht – ja alt. Dabei zählte er noch keine dreißig Lenze. Er solle doch Master Dyrick aufsuchen, wenn er einen Anwalt brauche, schlug ich vor. Da lachte er bitter und meinte, jener sei der Letzte, dem er sich anvertrauen würde.«
    »Verständlich. Wenn Dyrick Master Hobbey zu der Vormundschaft verholfen hat, kann er in derselben Angelegenheit nicht gegen ihn Partei ergreifen.«
    »Es war mehr als das, Sir. Ich hörte die Wut in Michaels Stimme.«
    Ich spürte die jähe Reglosigkeit im Raum und warf einen Blick zu den Fenstern hinüber. Die Kammerzofen hatten ihre Handarbeiten in den Schoß gelegt und lauschten ebenso gespannt wie die Königin und ich.
    »Plötzlich fiel mir ein, dass Michael auf seinem Weg von Dorset nach London vielleicht Hugh besucht haben könnte. Ich fragte ihn ohne Umschweife, und er gab es zu. Er habe sein Kommen nicht angekündigt, sagte er, weil er befürchten musste, dass Master Hobbey ihn nicht empfangen werde. Und so habe er etwas Entsetzliches entdeckt. Er müsse unbedingt einen Rechtsanwalt finden, dem zu trauen sei, und wenn ihm dies nicht gelänge, würde er selbst Klage erheben.«
    »Wärest du bloß eher zu mir gekommen, Bess!«, seufzte die Königin.
    »Ich hegte aber doch die Befürchtung, mein Sohn habe den Verstand verloren, Euer Gnaden. Ich konnte mir einfach nicht denken, was Hugh zugestoßen sein mochte, um Michael in einen solchen Zustand zu versetzen. Bald darauf sagte Michael, er habe eine Bleibe gefunden und werde nicht nach Dorset zurückkehren. Er –« Sie brach ab, vergrub das Gesicht in den Händen und weinte. Die Königin beugte sich zu Bess vor und schloss sie fest in ihre Arme.
    Schließlich gewann die Ärmste ihre Fassung wieder. Die Königin hatte ihr ein Schnupftuch zugesteckt, das sie drehte und knüllte. Sie redete zwar, hielt aber den Kopf so tief, dass ich nur ihre weiße Haube vor Augen hatte.
    »Michael zog in ein Haus unten am Fluss. Er besuchte mich nahezu täglich. Er werde sich eine neue Stellung suchen, sagte er, habe persönlich Klage eingereicht am Court of Wards, auf eigene Kosten. Ich bildete mir ein, er sehe ein wenig erleichtert aus, doch schon bald kehrte jener ausgezehrte Ausdruck in sein Gesicht zurück. Mehrere Tage verstrichen, an denen ich vergeblich auf ihn wartete. Eines Morgens dann kam der hiesige Konstabler zu mir.« Sie schaute zu mir auf, Hoffnungslosigkeit im Blick. »Er teilte mir mit, dass mein Sohn tot aufgefunden worden sei, erhängt in seiner Kammer. Michael hinterließ mir eine Notiz. Ich habe sie bei mir. Master Warner meinte, ich solle sie Euch zeigen.«
    Bess zog einen schmutzigen Fetzen Papier aus dem Kleid. Mit zitternder Hand reichte sie mir den Schrieb. Ich faltete ihn auseinander. »Verzeih mir, Mutter«, stand darauf zu lesen. Ich sah auf. »Ist dies Michaels Handschrift?«, fragte ich.
    »Meint Ihr denn, ich kenne die Schrift meines Sohnes nicht?«, gab sie unwirsch zurück. »Die Notiz stammt von ihm, wie ich es schon vor dem Untersuchungsgericht bezeugt habe, im Beisein der Geschworenen.«
    »Komm, Bess«, sagte die Königin sanft. »Master Shardlake muss dir diese Fragen stellen.«
    »Ich weiß es ja, Euer Majestät. Aber es ist schwer.« Sie sah mich an. »Nehmt es mir nicht übel, Sir.«
    »Ich verstehe Euch. Hat die Anhörung vor dem Londoner Untersuchungsrichter stattgefunden?«
    »Ja. Coroner Grice. Ein hartherziger, dummer Mensch.«
    Ich lächelte traurig. »Das ist er wohl.«
    »Er wollte wissen, ob meinen Sohn etwas bedrückt habe in letzter Zeit, und ich sagte ja, sein Benehmen sei in der Tat sonderbar gewesen. Daraufhin lautete das Urteil, Michael sei aus freien Stücken aus dem Leben geschieden. Die Sache mit Hampshire erwähnte ich nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    Sie hob den Kopf und sah mich trotzig an. »Weil ich beschlossen hatte, die Angelegenheit der Königin vorzutragen. Und nun, da sie mir ihre Unterstützung zugesagt hat, fordere ich Gerechtigkeit.« Sie lehnte sich zurück. Und mir wurde bewusst, dass sich unter Bess’ Trauer ein eiserner Wille verbarg.
    »Welche Entdeckung mag Euren Sohn in Hampshire so sehr verstört haben, dass es ihn in den Selbstmord trieb?«, fragte ich sie ruhig.
    »Gott sei seiner Seele gnädig, ich weiß es nicht, aber es muss etwas ausgesprochen Verwerfliches gewesen sein.«
    Ich antwortete nicht. Sah Bess sich in

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