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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Frau im Bedlam. Ein finsteres Geheimnis.«
    Warner meldete sich zum ersten Mal zu Wort. »Wenn die Sache Sir Richard betrifft, solltet Ihr auf der Hut sein, Euer Majestät. Master Shardlake, bedeutet dieses Wissen für die Königin Gefahr?«
    Ich zögerte und sagte dann: »Vielleicht habt Ihr recht. Mein Urteilsvermögen lässt in letzter Zeit weiß Gott zu wünschen übrig.«
    Die Königin lächelte, in einem Anflug ihres unbezähmbaren Humors. »Nein, Matthew, Ihr könnt mich nicht so weit den Pfad entlangführen und dann stehen lassen. Sagt mir alles, und ich will entscheiden, was getan werden muss.«
    Also erzählte ich ihr meine Entdeckung in Hoyland, schilderte Emmas Angriff auf David, verschwieg jedoch das Ausmaß von Davids Verletzung sowie die Tatsache, dass er es gewesen war, der Abigail getötet hatte. Ich erzählte von Emmas Flucht nach Portsmouth, meinem Handel mit Rich, meinem Aufenthalt auf der
Mary Rose
und meiner Gefangennahme durch West. Zuletzt schilderte ich ihr, wie das Schiff plötzlich Schlagseite bekam und kenterte. An dieser Stelle versagte mir erneut die Stimme.
    Nachdem ich zu Ende gesprochen hatte, schwieg die Königin eine volle Minute. Ihre Schultern sackten nach vorn, dann richtete sie sich entschlossen wieder auf. Sie fragte still: »Habt Ihr keine Ahnung, was aus Emma Curteys geworden ist?«
    »Nein. Ich weiß nur, dass sie kein Geld hat und Portsmouth im Hemd verlassen hat.«
    »Diese Schurken!«, stieß sie aus, so aufgewühlt, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte, hochrot im Gesicht. »Schurken und Gesindel, dergleichen einem Mädchen anzutun. Des schnöden Geldes wegen. Und was Richard Rich tat, ist noch schlimmer. Tja, diese Emma mag verschwunden sein, aber Rich wird dieses arme Geschöpf im Bedlam nicht in Gefahr bringen!«
    »Was wollt Ihr tun, Euer Majestät?«, fragte Warner bang. »Der König –«
    Die Königin schüttelte den Kopf. »Ich werde mich selbst darum kümmern.« Sie stand auf. »Sir Richard Rich ist hier in Portchester, soweit ich weiß. Lasst ihn holen.« »Aber Eure Majestät –«
    »Lasst ihn holen!«, wiederholte sie mit stahlharter Stimme. Sie wandte sich den Damen zu. »Lasst uns allein, die Angelegenheit duldet keine Zeugen.«
    Warner zögerte, verneigte sich und ging hinaus; die Kammerzofen folgten ihm. Die Königin und ich blieben allein zurück. Der Zorn in ihren braunen Augen hatte sich in Besorgnis verwandelt. Wieder kämpfte ich mit den Tränen.
    »Die
Mary Rose
 – es muss entsetzlich gewesen sein. Der König sah sie sinken – es hat ihn schwer getroffen. Lady Carew, die Frau des Kommandanten, war bei ihm, er musste sie trösten.«
    »All die Soldaten, sie waren nur meinetwegen auf diesem Schiff. Ich sehe sie immerzu vor mir und habe das Gefühl, ihren Tod verschuldet zu haben.«
    »Das ist begreiflich, wenn auch falsch.« Sie lächelte traurig. »Aber Worte können Euch nicht helfen, nicht wahr? Hier hilft nur das Gebet.«
    »Das Gebet, Euer Majestät?«, wiederholte ich mit hohler Stimme.
    »Jawohl, das Gebet.«
    »Ich habe vergessen, wie es geht.«
    Sie beugte sich zu mir und legte ihre Hand auf die meine. Eine weiche, schlanke, duftende Hand. Sie nahm sie jählings fort, als es klopfte, und rief: »Herein«, und Warner nötigte Richard Rich durch die Tür. Der hatte den kantigen kleinen Kopf im dicken Pelzkragen seiner grauen Robe vergraben, und auf der Brust die goldene Amtskette hängen. Seine harten kleinen Augen huschten durch den Raum. Als er meiner ansichtig wurde, weiteten sie sich, und er wich einen Schritt zurück. Demnach hatte Barak recht gehabt, dachte ich, er hatte mich tot geglaubt. Rich geriet ins Schwanken, und hätte Warner ihn nicht an den schmalen Schultern gepackt, wäre er hingeschlagen. Rich blickte die Königin an, erinnerte sich, wo er sich befand und verneigte sich tief. Die Königin maß ihn mit einem Blick, der ebenso hart war wie der seine.
    »Sir Richard«, sagte sie grimmig, »wie ich sehe, wart Ihr der Ansicht, Master Shardlake sei tot.«
    Rich fand seine Beherrschung wieder. »Er war ja auch auf der
Mary Rose
, Euer Majestät. Angeblich haben nur wenige Seeleute und Soldaten überlebt.«
    Die Königin sprach ruhig, den Blick fest auf Sir Richard gerichtet. »Ich weiß, dass Ihr selbst ihn an Bord der
Mary Rose
geschickt habt, wo jener West ihn töten sollte, der jetzt selber tot ist, und der bei allen bedauerlichen Fehlern zumindest versuchte, das Leben der Frau zu schützen, deren Leben Ihr mit

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