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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Dabei ist kein Mitglied des Hofes hier gewesen.«
    »Nun, da West tot ist, könnte Rich Ellen gefährlich werden. Habt Ihr daran schon gedacht?«
    Ich schlug die Hände vors Gesicht. »Ich kann immer nur an diese Männer denken –«
    Er ergriff rau meine Hand. »Jetzt reißt Euch gefälligst zusammen. Kommt, auf mit Euch, es gibt viel zu tun.«

kapitel neunundvierzig
    E s dauerte einen weiteren Tag, ehe ich imstande war, aufzubrechen. Barak hatte mich genötigt, etwas zu essen, und mir in Portsmouth sogar neue Kleider besorgt. Den ganzen Tag über ertönten Gewehrschüsse. Die Franzosen, erzählte er mir, seien von der Isle of Wight vertrieben worden, doch die beiden Flotten lägen einander noch immer gegenüber: Die Franzosen sandten Galeeren aus, die unsere Schiffe unter Beschuss nähmen und versuchten, uns aus der Reserve zu locken, doch nach dem Verlust der
Mary Rose
seien nur unsere Galeassen gegen sie angetreten. In Portsmouth hatte er einen Schneider gefunden, dessen Kleider mir zwar nicht das Äußere eines Anwalts, so doch dasjenige eines Gentlemans verschafften.
    »Sie befürchten, die Franzosen werden noch anderswo landen«, sagte Barak, als er mir die Kleider brachte. »Es kommen noch immer Soldaten in die Stadt – angeblich hat der König Nachschub aus London herbestellt und zudem weitere Geschütze von den Eisenwerken in Sussex. Wir müssen fort«, schloss er.
    Wir befanden uns noch immer im alten Lagerhaus, unweit der Säcke, die mein Lager geworden waren, wo wir auf Schemeln sitzend Gemüsebrei aßen. Die meisten der Männer, die man verwundet hierhergebracht hatte, waren jetzt fort; abgesehen von mir, waren nur noch drei geblieben, zwei mit gebrochenen Gliedern und ein armer Seemann, sehr jung, der offensichtlich den Verstand verloren hatte und die meiste Zeit weinend in einer Ecke zubrachte. Ich war noch nicht imstande gewesen, vor die Tür zu gehen; ich scheute mich vor dem Anblick der See. Hatte es bei Ellen auch so angefangen?, dachte ich.
    »Man will die
Mary Rose
bergen, sobald keine Gefahr mehr besteht«, sagte Barak. »Zumindest die Kanonen.« Nach kurzem Zögern fuhr er fort: »Bei Ebbe ragen die Fockmasten aus dem Wasser.«
    Ich schwieg. Barak stellte die Schüssel ab. »So«, sagte er in sachlichem Ton. »Ihr wisst, was wir morgen tun.«
    »Jawohl. Wir reiten nach Portchester und sprechen bei der Königin vor.«
    »Ich habe mich davon überzeugt, dass sie noch hier ist; der König hält sich bei den Zelten auf. Ihr sprecht mit der Königin, dann reiten wir nach Hause. Die Pferde stehen noch im Stall der Schenke. Wir können auf dem Heimweg in Hoyland haltmachen, wenn Ihr wollt.«
    Ich lächelte traurig. »Jetzt haben wir in der Tat die Plätze getauscht, nicht? Jetzt bist du es, der alles austüftelt und Pläne schmiedet, und ich führe sie aus.«
    »Es war noch nie anders, wenn Ihr mich fragt.«
    Ich lachte, aber es klang hohl in meinen Ohren. Im Geiste kehrte ich immer wieder zu den Bildern des sinkenden Schiffes zurück; zuweilen bedrängten sie mich so heftig, dass ich nicht mehr denken konnte. Es war Barak, der beschlossen hatte, dass ich Ellen zuliebe bei der Königin vorsprechen und ihr Sir Richards Geheimnis verraten müsste.
    Ich sagte: »West wäre ohnehin auf der
Mary Rose
gestorben, nicht wahr?«
    »Aber ja«, antwortete Barak, der allmählich die Geduld mit mir verlor. »Er war einer der verantwortlichen Offiziere, oder nicht?«
    »Ja. Wenigstens für seinen Tod trage ich keine Verantwortung.«
    »Auch nicht für den Tod der anderen. Das Schiff hatte entweder zu viele Soldaten an Bord genommen, oder die Stückpforten waren zu nahe am Wasser. Es gibt viele denkbare Ursachen für das Unglück. Ihr habt es jedenfalls nicht verschuldet.«
    »Ich werde wohl nie mehr derselbe sein«, sagte ich leise. »Es hat mich gebrochen.«
    »Mit der Zeit seht Ihr die Dinge wieder klarer; wie immer.«
    »Ich hoffe es, Jack. Ich hoffe es.«
    * * *
    Tags darauf machten wir uns früh auf den Weg. Noch ein heißer Julitag.
    »Die Position der Schiffe ist unverändert«, sagte Barak. »Die Franzosen haben die Galeeren heute noch nicht ausgeschickt.«
    Ich warf einen Blick über den Point. Die Flotte lag noch immer im Solent vor Anker. Weitere kleine Schiffe waren dazugekommen, doch ein großes Schiff fehlte. Obwohl mir der Magen vor Angst flatterte, suchten meine Augen die Wasserfläche ab. »Die Masten könnt Ihr von hier aus nicht sehen«, sagte Barak sanft.
    »Geben sie den Angehörigen der

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