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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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rotgesichtigen Mann von etwa vierzig Jahren, sein Schwert kennzeichnete ihn als Offizier, der eilig auf zwei der jungen Männer zuhielt, die zusammengefaltete Zelte von einem Wagen luden. Der eine, ein großgewachsener schlaksiger Bursche, hatte sein Ende in einen Kuhfladen fallen lassen.
    »Pygeon, du blöder Trampel!«, schrie der Offizier mit weithin schallender Stimme. »Du ungeschickter Tölpel!«
    »Ja, es sind Soldaten«, sagte Barak hinter mir.
    »Unterwegs gen Süden, wie alle anderen.«
    Dyrick drehte sich wutentbrannt zu mir um. »Beim Blute Gottes, da habt Ihr euch einen hübschen Zeitpunkt ausgesucht für Eure Reise. Und wenn wir zwischen die Fronten geraten? Was soll dann aus meinen Kindern werden?«
    »Wo bleibt sein Patriotismus?«, raunte Barak mir von hinten zu.
    Dyrick drehte sich im Sattel um. »Hüte deine Zunge, Schreiber!« Barak hielt seinem Blick stand. »Komm«, sagte ich. »Wir müssen ein Nachtlager finden.«
    Zu meiner Erleichterung erfuhren wir vom Stallknecht der größten Herberge, dass noch drei kleine Zimmer frei wären. Wir stiegen ab und gingen steif hinein, Barak und Feaveryear schleppten die Satteltaschen. Feaveryear sah drein, als würde er unter dem Gewicht, das er schulterte, jeden Moment hinschlagen, und Barak erbot sich, ihm eine Tasche abzunehmen. »Danke«, sagte Feaveryear. »Ich bin zu Tode erschöpft.« Es war das erste vernünftige Wort, das wir aus seinem Munde hörten.
    * * *
    Ich stieg die Treppe hinauf zu einem winzigen Stübchen unter dem Dach. Dort zog ich erleichtert die Stiefel aus, wusch mir mit dem kalten Wasser in der Schüssel den dicken Staub vom Gesicht. Dann ging ich nach unten, denn ich war hungrig wie ein Wolf. In der geräumigen Wirtsstube saßen an langen Tischen Fuhrknechte, die Bier in sich hineinschütteten und Gemüsebrei verschlangen. Die meisten waren offenbar den ganzen Tag unterwegs gewesen und verbreiteten einen mächtigen Gestank. Der Raum war nur matt beleuchtet, denn die Dämmerung brach herein, und so hatte man Kerzen auf die Tische gestellt. Ich sah Barak, der allein, einen Krug Bier in Händen, an einem kleinen Tisch in der Ecke saß, und ging zu ihm hinüber.
    »Wie ist Euer Zimmer?«, fragte er.
    »Klein. Die Matratze mit Stroh gefüllt.«
    »Wenigstens braucht Ihr es nicht mit Feaveryear zu teilen. Wir hatten kaum die Tür hinter uns geschlossen, als er sich schon die Stiefel von den Füßen riss und zwei Schenkelchen zum Vorschein brachte, deren sich ein Huhn schämen würde; alsdann sank er neben dem Bett auf die Knie und reckte den Hintern in die Höhe. Mir wollte schon Böses schwanen, als er anfing zu beten, Gott anzuflehen, er möge uns auf der Reise behüten.« Er seufzte schwer. »Wäre ich zu diesem Hundsfott Goodryke nicht so unverschämt gewesen, teilte ich heute das Lager mit Tamasin, anstatt mit diesem Menschen.«
    »Es wird gemütlicher, wenn wir Kloster Hoyland erreicht haben.«
    Er tat einen langen Schluck. »Vorsicht«, mahnte ich leise, da ich erkannt hatte, dass ihn der Anblick der Soldaten wieder an das Schicksal erinnert hatte, dem er knapp entronnen war. Er nickte. »Auf die gute Gesellschaft, die unser harrt«, sagte er höhnisch.
    Dyrick und Feaveryear traten in die Stube. »Ist es gestattet, Bruder Shardlake?«, fragte Dyrick. »Die übrige Gesellschaft mutet doch ein wenig grob an.«
    Wir bestellten uns ein Nachtmahl und bekamen Gemüsebrei mit Fleischeinlage vorgesetzt. Mehr war nicht übrig. Die Fleischeinlage bestand aus geschmacklosen, abscheulich aussehenden Knorpelstücken, die an der schmierigen Oberfläche schwammen. Wir aßen schweigend. Da kamen etliche Dirnen herein, in tief ausgeschnittenen Miedern. Die Fuhrknechte hießen sie johlend willkommen und trommelten auf die Tische, und bald schaukelten sie die Weiber auf den Knien. Barak sah’s mit Interesse, Dyrick mit höhnischer Belustigung und Feaveryear mit Abscheu.
    »Gefällt dir das Schauspiel nicht, Sam?«, fragte Dyrick ihn lächelnd.
    »Nein, Sir. Ich begebe mich lieber zu Bett. Ich bin müde.«
    Feaveryear ging langsam aus der Stube, und ich sah, wie er dabei verstohlen die Mädchen beäugte. Dyrick lachte.
    »Insgeheim hofft er doch, ein Paar Brüstchen zu erspähen, bei aller Frömmigkeit«, sagte er und fügte dann schlau hinzu: »Trotzdem ist Sam schlau, und wir werden beweisen, dass Euer Verdacht gegen Master Hobbey sich als der Unsinn erweisen wird, der er ist.«
    Ich blickte um mich, weigerte mich, auf seine Sticheleien einzugehen.

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