Der Pilot von der Donau
Morgenstunden noch keine Neigung abzunehmen; im Gegenteil. Die Jolle kam trotz der Unterstützung durch die Strömung nur mühsam gegen den mächtigen Wind vorwärts, und nach vier Stunden unsäglicher Anstrengung schaukelte sie höchstens zehn Kilometer von Gran entfernt. Die Mündungsstelle der Ipoly, an deren rechten Ufer Szalka liegt, konnte von hier nicht mehr fern sein.
Da verdoppelte sich aber die Wut des Sturmes so weit, daß die Lage anfing, gefährlich zu werden. Wenn die Donau auch nicht mit dem Meere zu vergleichen ist, ist sie doch breit genug, daß sich darauf tüchtige Wellen bilden können, sobald die Windgeschwindigkeit sehr groß wird. So war es auch heute, und trotz der Eile, die Ilia Brusch an den Tag legte, sah er sich doch gezwungen, nach dem linken Ufer zu flüchten.
Das sollte er aber nicht erreichen.
Fünfzig Meter trennten ihn noch davon, als sich ein erschreckender Vorgang abspielte. Nicht weit von ihm stromaufwärts wurden die am Ufer aufragenden Bäume plötzlich in den Fluß gestürzt, dicht am Boden geknickt, als wären sie von einer Riesensense abgeschnitten worden. Gleichzeitig wallte das Wasser mit ungeheurer Gewalt auf und brandete gegen das Ufer, von dem eine hohe Woge zurückprallte, die der Jolle schäumend nachschoß.
Offenbar hatte sich in der Luft eine Windhose gebildet, die das Wasser unwiderstehlich ansaugend über den Strom dahinbrauste.
Ilia Brusch erkannte die Gefahr. Mit kräftigem Ruderschlage warf er die Jolle herum und steuerte sie dem rechten Ufer zu. Wenn dieses Manöver nicht ganz das erwartete Resultat hatte, so verdankten der Fischer und sein Passagier gerade diesem Umstande ihre Rettung.
Bei Seite geschleudert durch das Meteor, das seinen wütenden Lauf fortsetzte, entging die Jolle wenigstens dem Wasserberge, der sich bei dessen Vorübergang erhob. Deshalb wurde das Fahrzeug jetzt nicht versenkt, was ohne das Manöver Ilia Bruschs zweifellos der Fall gewesen wäre. Vom äußersten Rand des Wirbels gepackt wurde es nur heftig in großem Bogen herumgeschleudert.
Karl Dragoch stürzte kopfüber über Bord. (S. 108.)
Kaum gestreift von dem Luftgebilde, dessen Fangarme das Boot verfehlt hatten, wurde dieses mehr fortgetrieben, als in die Höhe gehoben. In wenigen Minuten war die Windhose vorüber, und die Woge stürmte donnernd stromabwärts, während der Widerstand des Wassers die Geschwindigkeit der Jolle allmählich verminderte.
Unglücklicherweise türmte sich dieser, als ihr Lauf noch nicht ganz zu beherrschen war, eine neue Schwierigkeit entgegen. Gerade vor dem Fahrzeug, das die Fluten noch mit Eilzugsschnelligkeit durchschnitt, bemerkte der Fischer plötzlich einen der umgestürzten Bäume, der, die Wurzeln in der Luft, mit der Strömung hinuntertrieb. Wenn das Boot in das Gewirr seiner Wurzeln getrieben wurde, mußte es jedenfalls kentern oder wenigstens stark beschädigt werden. Ilia Brusch stieß einen Schreckensruf aus, als er das unvorhergesehene Hindernis bemerkte.
Karl Dragoch hatte die Gefahr jedoch auch gesehen und ihre Bedeutung sofort erkannt. Ohne Zögern sprang er nach dem Vorderteile der Jolle; von hier aus packte er die auf der Wasserfläche liegenden Wurzeln, und sich dagegenstemmend, um den Druck des Bootes besser auszuhalten, bemühte er sich, dieses nach und nach aus der gefährlichen Richtung zu drängen.
Das gelang ihm auch. Die aus ihrer Richtung geworfene Jolle schoß wie ein Pfeil dahin und streifte dabei nur die Wurzeln des Baumes und darauf seine noch mit Blättern geschmückte Krone. Einen Augenblick später sollte sie die grünende, mit der Strömung gemächlich hinabgleitende Trift verlassen, als Karl Dragoch von einem der äußersten Äste mitten gegen die Brust gestoßen wurde. Vergeblich suchte er sich noch zu halten; er verlor das Gleichgewicht, stürzte kopfüber über Bord und verschwand unter dem Wasser.
Seinem Falle folgte augenblicklich ein andrer, diesmal aber ein freiwilliger. Als Ilia Brusch seinen Passagier hinausstürzen sah, zauderte er keinen Augenblick, ihm zu Hilfe nachzuspringen. Es war aber nicht leicht, etwas in den schlammigen, von dem Meteor aufgewühlten Fluten zu sehen. Eine Minute lang bemühte sich Ilia Brusch vergeblich und er wollte schon daran verzweifeln, Jäger zu finden, als er endlich den Unglücklichen ergriff, der eben im Wasser bewußtlos ein wenig auftauchte.
Das war ja im Grunde recht günstig. Ein Mensch, der dem Ertrinken nahe ist, schlägt gewöhnlich um sich herum
Weitere Kostenlose Bücher