Der Pilot von der Donau
Diebstählen und Mordtaten zuschrieb, die nun seit so vielen Monaten die Gebiete längs der Donau heimsuchten. Vor allem glaubte er das bezüglich des letzten Einbruchs in Graf Hagenaus Villa und der schweren Verwundung Christian Hoëls. Ladko anderseits ahnte nicht im geringsten, daß sein Passagier solche gefährliche Gedanken hatte. Er wußte nur, daß sein Name zur Bezeichnung eines berüchtigten Verbrechers diente, und konnte unmöglich begreifen, wie es zu einer solchen Verwechslung gekommen war.
Zuerst geradezu entsetzt, als er von einem so furchtbaren Namensvetter hörte, der, um das Unglück vollzumachen, obendrein sein Landsmann war, hatte er sich nach dem ersten instinktiven Schreck doch wieder zu fassen verstanden. Was ging ihn auch ein Übeltäter an, mit dem er nichts als den Namen gemein hatte? Ein Unschuldiger hat ja nichts zu fürchten, und unschuldig an allen den vorgekommenen Verbrechen war er sicherlich.
Serge Ladko – wir wollen ihn fortan bei seinem richtigen Namen nennen – war am vorigen Abend ganz sorglos weggegangen, um sich, wie er gesagt hatte, nach Szalka zu begeben. In dieser kleinen Stadt war es, wo er nach seinem Weggange von Rustschuk unter dem Namen Ilia Brusch seine Wohnstätte aufgeschlagen hatte, und hier hatte er drei volle lange Wochen auf Nachricht von seiner geliebten Natscha gewartet.
Dieses Warten war ihm, wie wir schon wissen, schließlich unerträglich geworden, und er zermarterte sich den Kopf, Mittel zu finden, um unerkannt nach Bulgarien zurückkehren zu können, als ihm der Zufall eine Nummer des »Pester Lloyd« in die Hand spielte, worin in nicht zu übersehender Weise der Angelwettkampf von Sigmaringen angekündigt war. Bei Durchlesung des betreffenden Artikels kam dem Verbannten, einem, wie man sich wohl erinnert, ebenso gewandten Fischer wie gesuchten Piloten, der Gedanke an eine Fahrt, deren Bizarrerie vielleicht allein schon den gewünschten Erfolg verbürgte.
Unter dem Namen Ilia Brusch, dem einzigen, dessen er sich in Szalka bedient hatte, wollte er in den Donaubund eintreten, am Wettbewerb in Sigmaringen teilnehmen, und wir wissen ja, daß er da, dank seiner Erfahrung und Geschicklichkeit, die beiden ersten Preise davongetragen hatte. Da nun sein angenommener Name schon hierdurch weit bekannt geworden war, wollte er dann recht auffallend und, wenn es gelang, unter Eingehung von Wetten seine Absicht ankündigen, mit der Angel in der Hand die ganze Donau von ihrem Ursprunge an bis zur Ausmündung ins Schwarze Meer hinunterzufahren. Ohne Zweifel mußte dieser Plan in den Kreisen der Angelfischer besondres Aufsehen erregen und seinem Urheber auch einen gewissen Ruf unter dem übrigen Publikum erwerben.
Als Vertreter eines bürgerlichen Berufs, den niemand anzweifeln konnte, hoffte Ladko unbelästigt die Donau hinunterzufahren. Die Bewegung seines Bootes gedachte er jedoch möglichst zu beschleunigen und mit dem Fischfange keine unnötige Zeit zu vergeuden. Immerhin würde er dabei von sich reden zu machen suchen, um nicht in Vergessenheit zu geraten, und dadurch geschützt, daß alle Welt ihn kannte, frei und offen in Rustschuk landen zu können.
Um diesen einzigen Zweck seiner Fahrt aber glücklich zu erreichen, war es notwendig, daß niemand seinen wahren Namen ahnte und daß kein Mensch am Äußern des Fischers Ilia Brusch den Piloten Serge Ladko erkennen konnte.
Die erste Bedingung war ja leicht zu erfüllen. Nachdem er zum Preisträger des Donaubundes geworden war, brauchte er diese Rolle nur gleichmäßig weiter zu spielen. Serge Ladko schwur sich also zu, mochte auf der Fahrt sonst etwas vorfallen, gegen jedermann Ilia Brusch zu sein. Übrigens war anzunehmen, daß die Fahrt nur verhältnismäßig langsam, aber in Sicherheit verlaufen und kein Zwischenfall es ihm erschweren würde, seinen Schwur zu halten. Der zweiten Bedingung zu genügen, erschien eher noch leichter. Sich den Bart abrasieren zu lassen, ein Färbemittel anzuwenden, das das Aussehen seiner Haare veränderte, und eine große Brille mit dunkeln Gläsern, seine Augen zu verbergen, mehr bedurfte es dazu ja nicht. Serge Ladko nahm diese Verkleidung in der seiner Abfahrt vorhergehenden Nacht vor und machte sich dann noch vor der Morgenröte auf, jetzt versichert, für jeden unerwarteten Blick unerkennbar zu sein.
In Sigmaringen war alles seiner Annahme entsprechend verlaufen. Die Ankündigung seines Planes, des eines Preisträgers aus dem Wettbewerb, war von der Presse aller
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