Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
pfiffig war die Schute eingerichtet, die gleichzeitig als Beförderungsmittel, als Wohnstätte und als unentdeckbares Sammelmagazin diente. Unterhalb des sichtbaren Fahrzeugs war diesem ein kleineres angefügt, dessen Deck den Fußboden des andern bildete. Dieses zweite, etwa zwei Meter tiefe Fahrzeug hatte ein solches Deplacement, daß es das erste zu tragen und einen oder zwei Fuß über der Wasserfläche zu halten vermochte. Diesem Übelstande, der die Hinterlist leicht hätte verraten können, war dadurch abgeholfen worden, daß man das untere Schiff genügend belastete, so daß es vollständig versank und die Schute oben nur soweit über das Wasser emporragte, wie es der Fall sein mußte, wenn sie leer war.
    Ihr Frachtraum war aber immer leer, da die gestohlenen Gegenstände sozusagen zwischen einem Doppelboden untergebracht wurden und ein dem sonst notwendigen Ballast gleiches Gewicht ersetzten, so daß von außen an der Schute keine Lageveränderung zu sehen war.
    Das Fahrzeug, das ohne Last normalerweise nur einen Fuß hätte eintauchen sollen, hatte so freilich einen Tiefgang von sieben Fuß, was die Fahrt auf der Donau oft ernstlich erschwerte und die Hilfe eines gut unterrichteten Lotsen notwendig machte. Diesen Piloten hatte die Bande in Jackel Semo, einem ebenfalls aus Rustschuk stammenden Israeliten. Viel auf dem Strome tätig hätte Jackel Semo bezüglich der Kenntnis des Fahrwassers und der Sandbänke sich vielleicht sogar mit Serge Ladko messen können. Mit sichrer Hand steuerte er die Schute durch die mit Felsen durchsetzten Stromschnellen, die man auf der Donau da und dort zu passieren hat.
    Die Polizei konnte das Fahrzeug durchsuchen, soviel ihr beliebte. Sie konnte die äußere und die innere Höhe messen, ohne den kleinsten Unterschied zu finden. Sie konnte rund herum sondieren, ohne auf das Versteck unter Wasser zu treffen, das von der Seitenwand ein Stück zurücklag und so schlanke Linien hatte, daß es unmöglich war, es mit einem Senkblei zu erreichen. Alle derartigen Untersuchungen konnten nur zu dem Ergebnis führen, daß die Schute leer war und ins Wasser gerade nur weit genug eintauchte, sie im Gleichgewicht zu halten.
    Was die üblichen Schiffspapiere betraf, war in dieser Hinsicht ebenso peinlich vorgesorgt worden. In allen Fällen, und ob sie mit der Strömung hinab-oder gegen sie hinaussegelte, kehrte die Schute, wenn sie scheinbar Fracht suchte oder eine Ladung gelöscht hatte, allemal nach ihrem Heimatshafen zurück. Je nach Wahl oder wie es am rätlichsten erschien, gehörte sie dann bald einem Herrn Constantinesco oder einem Herrn Wenzel Meyer, beide Kaufleute, der eine in Galatz und der andre in Wien. Die mit allen amtlichen Siegeln versehenen Papiere waren scheinbar so vollständig in Ordnung, daß es niemand in den Sinn kam, ihre Echtheit zu prüfen. Wäre das geschehen, so hätte man freilich weder einen Constantinesco in Galatz noch einen Wenzel Meyer in Wien gefunden.
    In Wahrheit hieß der Eigentümer des Fahrzeugs Iwan Striga.
    Der Leser erinnert sich vielleicht, daß dieser Name einem der möglichst wenig empfehlenswerten Einwohner von Rustschuk zukam, dem, der nach seinem vergeblichen Widerstand gegen die Vermählung Serge Ladkos mit Natscha Gregorewitsch aus der Stadt verschwunden war. Ohne daß man etwas Bestimmtes von ihm reden hörte, durchschwirrten die Luft doch recht schlimme Gerüchte über ihn, und die öffentliche Meinung beschuldigte ihn aller erdenklichen Verbrechen.
    Hier täuschte sich die öffentliche Meinung nun einmal nicht. Mit sieben andern Schandbuben seines Schlags hatte Iwan Striga eine Bande richtiger Piraten gebildet, die sich bald auf beiden Donauufern ruchbar machte.
    Auf diese Weise einen leichten Weg zum Reichtum gefunden zu haben, das war ja schon etwas, sich dabei aber sicher zu stellen, war doch noch mehr. Diesen Zweck vor Augen hatte er, statt seinen Namen und sein Gesicht zu verbergen, wie es vielleicht ein gewöhnlicher Verbrecher getan hätte, es vorgezogen, seinen Opfern gegenüber nicht anonym zu bleiben. Wohl zu verstehen, war es aber nicht sein wahrer Name, den er sie erfahren ließ, nein, frecherweise nahm er dazu den Serge Ladkos an.
    Sich hinter einer angenommenen Persönlichkeit zu verstecken, um den Folgen einer Untat zu entgehen, das ist ja eine ganz gewöhnliche Taktik. Striga hatte sie hier aber doch durch die kluge Wahl des Namens, den er sich beilegte, erneuert.
    Wenn der Name Ladko weder mehr noch weniger als andre

Weitere Kostenlose Bücher