Der Pilot von der Donau
säße es in Abrahams Schoß.
– Und jetzt?
– Jetzt befindet sich der Erzfeind im Frachtraum, natürlich im untern.
– Weiß er, wie man ihn dahin gebracht hat?
– Da müßte er doch ein gar zu großer Schlaumeier sein, antwortete Titscha, laut und widerlich lachend. Du kannst dir wohl denken, daß ich weder den Knebel noch die Binde vergessen hatte.
Ansicht von Budapest.
Die sind ihm erst abgenommen worden, als er im Käfig saß. Da kann er nun, wenn’s ihn beliebt, Lieder singen und die Landschaft bewundern.«
Striga lächelte, ohne zu antworten, und Titscha fuhr fort:
»Ich habe getan, was du befohlen hast; doch wohin soll das führen?
– Wär’s nicht schon genug, die ihres Chefs beraubte Polizeibrigade in Unordnung zu bringen?« antwortete Striga.
Titscha zuckte mit den Achseln.
»Man wird da einfach einen neuen Chef ernennen.
– Möglich, er ersetzt aber doch vielleicht den nicht, den wir hier in der Hand haben. Jedenfalls werden wir mit ihm reden können. Im Notfall liefern wir ihn gegen die Pässe aus, die wir brauchen werden. Es ist also wichtig, daß er am Leben bleibt.
– Ja, das ist es, gab Titscha zu.
– Hat denn einer daran gedacht, ihm etwas zu essen zu bringen?
– Zum Teufel! rief Titscha, sich hinter den Ohren krauend, das ist ganz vergessen worden. Na, zwölf Stunden zu fasten, hat noch keinem Menschen geschadet, und ich werde ihm seine Mahlzeit bringen, sobald wir in Fahrt sind… du müßtest sie ihm denn gerade selbst hinunterschaffen wollen, um zu sehen, wie’s mit ihm steht.
– Nein nein, das nicht, erwiderte Striga lebhaft. Ich ziehe es vor, mich von ihm nicht sehen zu lassen. Ich kenne ihn nicht und er mich ebensowenig. Das ist ein Vorteil, den ich nicht missen möchte.
– Du könntest ja eine Larve benützen.
– Das würde bei Dragoch nicht viel nützen. Es ist für ihn gar nicht nötig, ihm das Gesicht zu zeigen. Die Größe, die Gestalt, selbst die geringste Einzelheit genügt ihm, die Leute wieder zu erkennen.
– Dann muß ich ihm ja wohl oder übel seine Ration bringen.
– Einer muß es doch übernehmen. Dragoch ist übrigens jetzt nicht gefährlich, und wenn er’s einmal würde, werden wir uns zu schützen wissen.
– Amen! sagte dazu Titscha.
– Augenblicklich, fuhr Striga fort, lassen wir ihn noch in seinem Käfig, doch nicht zu lange, er könnte uns sonst darin ersticken. Wenn wir morgen früh und nach meinem Weggange über Budapest hinaus sind, mag er in eine Kabine auf dem Deck geschafft werden.
– Du hast also die Absicht wegzugehen?
– Ja, antwortete Striga. Ich werde unsre Schute von Zeit zu Zeit verlassen, um am Ufer Erkundigungen einzuziehen, und zu erfahren suchen, was man über unsern letzten Streich und über das Verschwinden Dragochs denkt.
– Und wenn man dich nun festnimmt? wendete Titscha ein.
– Keine Angst! Mich kennt hier niemand, und die Strompolizei, na, die ist jetzt gelähmt. Für die andern aber werde ich eine ganz neue Identität haben.
– Welche denn?
– Ich werde als der berühmte Ilia Brusch, als der Preisträger des Donaubundes auftreten.
– Welcher Gedanke!
– O, ein vortrefflicher. Ich habe ja Ilia Bruschs Boot und borge mir nur noch seine Haut, wie es Karl Dragoch getan hat.
– Wenn man von dir aber Fische haben will?…
– Dann kaufe ich solche, um sie, wenn nötig, wieder zu verkaufen.
– Du hast doch auf alles eine Antwort.
– Sapperment, das versteht sich.«
Hiermit ging das Gespräch zu Ende. Die Schute wurde jetzt von der Strömung fortgetragen. Dazu wehte eine leichte Brise, die, wenn die Donau unterhalb Visegrad erst wieder in umgekehrter Richtung und nach Süden fließt, sehr günstig wirken mußte. Vorläufig hemmte die nördliche Brise den Lauf des Fahrzeugs, und Striga, dem daran lag, sich vom Schauplatz seiner Taten zu entfernen, ließ zwei lange Riemen einlegen, die helfen sollten, gegen den Wind aufzukommen.
Drei Stunden verstrichen, zehn Kilometer zurückzulegen und die erste Biegung des Stromes zu erreichen, und dann noch zwei weitere, über den Bogen hinauszukommen, den die Donau beschreibt, ehe sie geraden Wegs nach Süden fließt. Ein wenig oberhalb von Waitzen konnten die Riemen endlich eingezogen werden, und unter dem Drucke eines Segels wurde der Lauf des Schiffes wesentlich schneller.
Gegen elf Uhr kam es an Sankt Andrä vorbei, wohin die beiden Wagenführer, Kaiserlick und Vogel, sich vergangene Nacht hatten begeben wollen. Anhalten wollte Striga hier
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