Der Pilot von der Donau
früher.
– Ja ja, das stimmt. Wenn ihr aber nicht Ladko heißt, warum in aller Welt seid ihr dann unmittelbar nach der Verübung jener Schandtat verschwunden, um euer Inkognito – und das nur recht vorsichtig – erst in einer großen Entfernung von der Gegend, die der Schauplatz des Verbrechens war, zu lüften? Warum hat man euch, euch der sich vorher fast aufdringlich überall zeigte, weder in Budapest oder in Neusatz gesehen, auch nicht in sonst einer irgend bedeutenderen Stadt? Warum habt ihr eure Rolle als Fischer so weit aufgegeben, daß ihr zuweilen Fische in den Dörfern kauftet, wo es euch aufzuhalten beliebte?«
Alles das war für den Piloten hebräisch. Sein Verschwinden erfolgte ja sehr wider seinen Willen. Seit der mehr erwähnten Nacht war er ja ununterbrochen Gefangener gewesen. Erschien es da überraschend, daß er verschwunden war? Überraschend vielmehr war es, daß einer die Behauptung wagte, ihn gesehen zu haben.
Wenigstens dieser Irrtum mußte leicht zu zerstreuen sein. Es würde ja genügen, offen und ehrlich das unbegreifliche Abenteuer zu schildern, dessen Opfer er gewesen war. Die Justiz war vielleicht scharfsichtiger und es gelang ihr, die verschlungenen Fäden dieses Wirrwarrs zu lösen. Dazu völlig entschlossen, wartete Serge Ladko mit Ungeduld darauf, daß ihm Rona wieder das Wort gönnen sollte. Der Richter war aber jetzt einmal warm geworden. Er ging in seinem Bureau gestikulierend hin und her und schleuderte seinem Gefangenen einen Strom von Argumenten ins Gesicht, womit er diesen zur Strecke zu bringen hoffte.
»Wenn ihr nicht Ladko seid, fuhr er mit zunehmender Heftigkeit fort, wie kam es da, daß nach der Plünderung der gräflich Hagenauschen Villa, eine Plünderung, die unglücklicherweise genau zu der Zeit erfolgte, wo ihr eure Jolle verlassen hattet, daß da, sage ich, ein Diebstahl, oh, ein ganz einfacher Diebstahl in Szuszek in der Nacht vom fünften zum sechsten September vorkam, das heißt, in der Nacht, wo ihr euch gerade bei Szuszek befinden mußtet? Wenn ihr nicht Ladko seid, was machte in eurer Jolle dann das Porträt mit der von seiner Gattin Natscha Ladko an ihren Ehemann gerichteten Widmung?«
Jetzt hatte Rona den wundesten Punkt berührt, das letzte Argument war unangreifbar. Wie betäubt ließ der Pilot den Kopf hängen, und dicke Schweißtropfen rannen ihm übers Gesicht.
Inzwischen setzte der Richter seine Rede, immer lauter werdend, fort.
»Wenn ihr nicht Ladko seid, warum war dieses Porträt seit dem Tage verschwunden, wo ihr euch bedroht fühltet? Das Porträt hatte vorher in einem Kasten eures Fahrzeugs, genauer: in einem Kasten an Steuerbord gelegen. Da findet es sich nicht mehr. Noch vorhanden, beschuldigte es euch; verschwunden aber verurteilt es euch. Was habt ihr darauf zu erwidern?
– Nichts, murmelte Ladko mit dumpfer Stimme. Ich begreife nicht, was mich da alles belastet.
– Wenn ihr euch nur ein wenig Mühe geben wollt, werdet ihr alles sehr gut begreifen. Für jetzt wollen wir diese interessante Unterhaltung abbrechen. Ihr werdet in eure Zelle zurückgeführt werden, dort habt ihr Zeit nachzudenken. Ich wiederhole noch den Verlauf des heutigen Verhörs: Erstens: Ihr nennt euch Ilia Brusch. Zweitens: Ihr wollt beim Angelwettbewerb von Sigmaringen einen Preis errungen haben. Drittens: Ihr gebt an, in Szalka wohnhaft zu sein. Viertens: Euch in der Nacht vom achtundzwanzigsten zum neunundzwanzigsten August ebenda befunden zu haben. – Diese Punkte sind nicht mehr streitig. – Ich meinerseits behaupte nun: Erstens: Daß euer Name Ladko lautet. Zweitens: Daß euer Wohnsitz Rustschuk ist. Drittens: Daß ihr in der Nacht vom achtundzwanzigsten zum neunundzwanzigsten mit Unterstützung zahlreicher Helfershelfer die Villa des Grafen Hagenau ausgeplündert und euch des Mordversuchs an dessen Hausmeister Christian Hoël schuldig gemacht habt. Viertens: Daß ein bei einem gewissen Kellermann in Szuszek ausgeführter Diebstahl euch ebenfalls zur Last zu schreiben ist. Fünftens: Daß zahlreiche andre Diebstähle und Mordtaten in den Gegenden längs der Donau nicht weniger euerm Schuldkonto zuzuschreiben sind. Die Untersuchung wegen dieser Verbrechen ist bereits im Gange. Zeugen sind dazu geladen. Ihr werdet diesen gegenübergestellt werden… Wollt ihr das Protokoll von heute unterschreiben?… Nein?… Na, wie es euch beliebt!… Wärter, führt den Gefangnen zurück!«
Um zum Gefängnis zurückzugelangen, mußte Serge Ladko noch einmal die
Weitere Kostenlose Bücher