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Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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versammelte Menge passieren und deren feindliche Rufe in den Kauf nehmen. Die Wut des Volkes schien sich während des Verhörs nur noch gesteigert zu haben, und die Polizei hatte einige Mühe, den Gefangnen zu schützen. In der ersten Reihe der brüllenden Menge befand sich auch Iwan Striga. Der verzehrte ordentlich mit den Augen den Mann, der so bereitwillig seine Stelle eingenommen hatte. Der Pilot kam nur zwei Meter weit vor ihm vorbei und er konnte ihn genau betrachten. Dabei erkannte er aber nicht den bartlosen Mann mit den dunkeln Haaren und der fast schwarzen Brille vor den Augen. Er wußte über die ganze Angelegenheit jetzt eigentlich also nicht mehr als vorher.
    Als das Tor des Gefängnisses geschlossen war, entfernte sich Striga nachdenklich mit der Volksmenge. Den verhafteten Mann kannte er bestimmt nicht. Jedenfalls war es weder Dragoch noch Ladko. Wenn sich’s aber um Ilia Brusch oder sonst einen andern handelte, was kümmerte dann die ganze Geschichte ihn? Wer der Verhaftete auch sein mochte, das Wichtigste war, daß der die Aufmerksamkeit der Polizei in Anspruch nahm, und so hatte Striga keine Veranlassung, sich in Semlin noch länger aufzuhalten. Er beschloß deshalb, am nächsten Tage fortzugehen und seine Schute wieder aufzusuchen.
    Am folgenden Morgen veranlaßte ihn aber, was er in den Zeitungen las, seine Absicht zu ändern. Die Ladkosche Sache war so streng geheim behandelt worden, daß die Zeitungen allen Spürsinn anwendeten, das Geheimnis zu enthüllen. Das war ihnen auch gelungen, sie hatten viele Mitteilungen darüber erhalten.
    Die Presse berichtete recht zutreffend über das erste Verhör und fügte dem eigne Betrachtungen hinzu, die für den Angeschuldigten nicht gerade günstig ausfielen. Vor allem erstaunten die Journale über die Hartnäckigkeit, womit dieser behauptete, ein einfacher Fischer zu sein, der Ilia Brusch hieße und in Szalka zu wohnen angab. Welches Interesse konnte er daran haben, bei diesen so fadenscheinigen Behauptungen zu beharren? Schon sollte der Richter Izar Rona eine Untersuchungskommission nach Gran entsendet haben. Von da aus würde sich ein Beamter nach Szalka begeben und Nachforschungen anstellen, die das Lügengewebe des Angeklagten gewiß bald zerrissen. Man würde nach diesem Ilia Brusch suchen und ihn finden, wenn es – was sehr zweifelhaft erschien – überhaupt einen solchen gab.
    Diese Veröffentlichungen änderten Strigas Pläne. Während er las, war ihm ein Gedanke gekommen, der feste Gestalt annahm, als er mit der Lektüre fertig war. Gewiß war es sehr gut, daß die Polizei einen Unschuldigen in ihrer Hand hatte, noch besser aber würde es sein, wenn sie ihn auch darin behielte. Was war dazu nötig?… Ihr einen Ilia Brusch von Fleisch und Bein zu liefern, wodurch der Betrug des wahren Ilia Brusch, den man in Semlin in Hast hielt, ja handgreiflich bewiesen wurde. Dieser erschwerende Umstand sprach dann noch weiter gegen ihn und genügte vielleicht, zum großen Vorteil für den wirklich Schuldigen, zu seiner endgültigen Verurteilung.
    Ohne Zögern verließ Striga jetzt die Stadt. Doch statt sich nach seiner Schute zu begeben, wandte er dieser den Rücken. Mit Benützung eines schnellen Wagens eilte er nach der nächsten Bahnlinie und fuhr mit Expreßzügen auf Budapest und den Norden zu.
    Inzwischen zählte Ladko, ohne sein bisheriges Verhalten zu ändern, die traurig hinschleichenden Stunden. Von seinem ersten Zusammentreffen mit dem Richter war er erschreckt über den Verdacht, der sich immer mehr über ihn häufte, zurückgekommen. Sicherlich würde es ihm mit der Zeit ja gelingen, seine Unschuld nachzuweisen. Dazu mußte er sich aber mit Geduld rüsten, denn es war nicht zu verkennen, daß der Schein noch wider ihn sprach, und daß die Justiz ihren Scheiterhaufen von Hypothesen ganz logisch errichtet hatte.
    Es ist ja ein großer Unterschied zwischen einfachen Vermutungen und überzeugenden Beweisen. Beweise würde man aber niemals beibringen, und aus gutem Grunde nicht gegen ihn verwerten können. Der einzige Zeuge, den er zu fürchten hatte, und auch nur einzig deswegen, weil der seinen richtigen Namen kannte, war der Jude Simon Klein. Simon Klein jedoch, der auch auf eine gewisse Standesehre hielt, würde wahrscheinlich angeben, daß er ihm nicht bekannt sei. Es war ja vorläufig noch die Frage, ob man ihn mit seinem alten Wiener Korrespondenten konfrontierte. Der Richter hatte ja ausgesprochen, daß in Szalka Erkundigungen eingezogen

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