Der Pilot von der Donau
Einsamkeit erschöpft die Nervenkraft gar sehr, und einige Tage Isolierhaft erschlaffen wunderbar den Gegner, dem der Richter dann entgegentreten soll.
Achtundvierzig Stunden nach der Verhaftung entwickelte er diesen Gedanken ganz vor Karl Dragoch, der von ihm weitere Instruktionen haben wollte. Der Detektiv konnte seinem Vorgesetzten nun einmal nicht offen widersprechen.
»Und wann denken Sie, Herr Richter, wagte er jedoch zu fragen, das erste Verhör vorzunehmen?
– Morgen.
– Dann werd’ ich morgen Abend wiederkommen, das Ergebnis kennen zu lernen. Ich glaube Ihnen nicht wiederholen zu brauchen, worauf sich die Verdachtsgründe stützen.
– Nein, das wäre unnötig, erklärte Rona. Ich habe unsre frühern Gespräche frisch im Gedächtnis und mir auch ausführliche Notizen gemacht.
– Sie erlauben mir aber wohl, Herr Richter, Sie an den Wunsch zu erinnern, den ich mir die Freiheit nahm, vor Ihnen zu äußern?
– An welchen Wunsch?
– Den, in dieser Angelegenheit, wenigstens ohne eine neue Aufforderung dazu, nicht vor Gericht zu erscheinen. Wie ich Ihnen mitgeteilt habe, kennt mich der Verhaftete nur unter dem Namen Jäger. Das kann uns vielleicht von Nutzen sein. Träfe ich mit ihm vor den Schranken zusammen, so müßte ich meinen wahren Namen angeben. Doch, so weit ist es ja noch nicht, und es scheint mir wegen der Nachforschung nach Mitschuldigen vorteilhafter zu sein, mich nicht vorzeitig in die Bresche zu stellen.
– Einverstanden«, versprach der Richter.
In der Zelle, worin er eingeschlossen war, wartete Serge Ladko darauf, daß man sich mit seiner Angelegenheit beschäftigen würde. So bald nach dem frühern Abenteuer hatte dieses neue, ihm ebenso wie das vorige unerklärliche Unglück seinen Mut nicht zu brechen vermocht. Ohne bei seiner Verhaftung den geringsten Widerstand zu versuchen, hatte er sich ruhig ins Gefängnis führen lassen, nachdem ihm auf eine Frage nach dem Grunde dieses Vorgehens keine Antwort erteilt worden war. Was drohte ihm denn auch? Die Verhaftung mußte sich notwendigerweise als ein Irrtum erweisen, der beim ersten Verhöre Aufklärung finden würde. Leider ließ dieses erste Verhör recht lange auf sich warten. Streng bewacht, blieb Serge Ladko Tag und Nacht in seiner Zelle allein. Nur dann und wann warf ein Wärter durch eine kleine, in der Tür ausgesparte Öffnung einen flüchtigen Blick zu ihm herein. Hoffte dieser Wärter, der Anordnung Izar Ronas entsprechend, sich erst von dem wachsenden Erfolge der Isolierung zu überzeugen? Dann mußte er sich freilich enttäuscht zurückziehen. Die Stunden und die Tage verstrichen, ohne daß in der Haltung des Gefangnen etwas eine Änderung seiner geheimsten Gedanken verriet. Auf einem Stuhle sitzend, die Arme auf die Knie gestützt, mit herabgesenkten Augen und kalten Gesichtszügen schien er tief nachzudenken und bewahrte eine fast absolute Ruhe, ohne die geringste Ungeduld zu zeigen. Von der ersten Minute an hatte sich Serge Ladko gelobt, seine Ruhe zu bewahren, aus der ihn gar nichts reißen sollte. Im Laufe der Zeit begann er nur, sich mit Bedauern seines schwimmenden Gefängnisses zu erinnern, das ihn wenigstens Rustschuk näher brachte.
Am dritten Tage endlich – es war nun der 10. September – öffnete sich seine Tür, und er wurde aufgefordert, aus der Zelle herauszukommen. Von vier Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett geleitet, ging er durch einen langen Vorsaal, stieg eine endlose Treppe hinab und wurde über eine Straße geführt, von der aus er in das dem Gefängnis gegenüberliegende Gerichtsamt gelangte.
Auf dieser Straße wimmelte es von Neugierigen, die sich hinter einer dichten Kette von Polizisten drängten. Als der Gefangne erschien, erhob sich ein wüstes Geschrei aus der Menge, die ihrem Abscheu vor dem gefürchteten und so lange straflos gebliebenen Verbrecher Ausdruck geben wollte. Was Serge Ladko empfand, als er sich als Zielscheibe der unverdienten Beleidigungen sah, ließ er nicht nach außen durchblicken. Sichern Schrittes betrat er das Gerichtsgebäude und wurde hier nach neuem Warten seinem Richter zugeführt.
Izar Rona, ein schwächlicher, blonder Mann mit spärlichem Bartwuchs und gallig-gelbem Teint, war ein harthändiger Beamter. Mit sichern Behauptungen und brutalen Verneinungen ging er dem Gegner rücksichtslos zuleibe, offenbar mehr bestrebt, Schrecken einzuflößen, als Vertrauen zu gewinnen.
Die Wachen hatten sich auf ein Zeichen des Richters zurückgezogen. In der Mitte des
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