Der Piratenfuerst
soll, Sir. Meiner Meinung nach könnte eine neue Garnison mit frischen Soldaten dort mehr ausrichten als ich.«
»Das kenne ich schon«, wehrte Strang bitter ab. »Sie bestünde größtenteils aus eingeborenen Truppen und ein paar britischen Offizieren, die abgestumpft sind von der Hitze und gewissen, äh, lokalen Reizen. Nein, ich brauche etwas Bewegliches – mit einem Wort, Ihr Schiff. Die Franzosen sind, wie Sie inzwischen selbst erfahren haben, sehr interessiert. Sie haben irgendwo in diesen Gewässern eine Fregatte stationiert; das wissen Sie ja auch. Und deswegen kann ich mir keinen offenen Konflikt leisten. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir das Recht auf unserer Seite haben.«
»Und wenn sich Muljadi gegen uns oder unsere Verbündeten stellt, Sir?«
Strang schritt zur Wand und strich leicht über einen Gobelin.
»Dann werden Sie ihn zerschmettern.« Mit überraschender Gewandtheit drehte er sich um. »Im Namen des Königs.«
Damit griff er nach einer Tischglocke und läutete ungeduldig.
»Ich organisiere den Transport der Truppen und aller notwendigen Vorräte. Die East India Company wird zu gegebener Zeit ein geeignetes Schiff zur Verfügung stellen. Das andere ist Ihre Sache, Sie stehen dann unter dem Oberbefehl des neuen Gouverneurs. Konteradmiral Beves Conway hat einiges bereits in die Wege geleitet.« Ein rascher Blick. »Sie kennen ihn doch?«
»Natürlich, Sir.« Ein Dutzend verschiedener Erinnerungen fuhren Bolitho durch den Kopf. »Er war Kommandant der Gorgon, vierundsiebzig Geschütze und mein zweites Schiff.«
Trotz Strangs ernster Miene mußte er lächeln. »Damals war ich sechzehn.«
»Zweifellos ein interessantes Wiedersehen.« Strang blickte zur offenen Tür hinüber, wo ein Diener stand, der ihn ängstlich beobachtete. »Führe den Captain in den Saal. Und wenn ich das nächstemal läute, kommst du sofort!«
Als Bolitho sich zum Gehen wandte, fragte Strang noch: »Haben Sie gesehen, daß ein Schiff der Company den Hafen verließ, als Sie heute einliefen?«
»Jawohl, Sir.«
»Auf Heimatkurs und mit reicher Ladung für England.« Er lächelte. »Nein, ich hege keineswegs Sehnsucht nach der Heimat, die in meinem Fall Schottland heißt, sondern wollte Ihnen bloß andeuten, daß dessen Mannschaft die ganze Nacht gefeiert und dabei nach Seemannsart zuviel getrunken hat.« Er wandte sich ab. »Etwa zwanzig Matrosen waren zu betrunken, um an Bord zurückzufinden. Sie stehen jetzt unter Aufsicht meiner Offiziere, und die haben mehr zu tun, als sich um Schnapsdrosseln zu kümmern, die auf einem Kriegsschiff zweifellos wegen Desertion ausgepeitscht würden. Ich will von dieser Angelegenheit weiter nichts wissen; aber falls Ihre Leutnants die Verantwortung übernehmen, bekämen Sie vielleicht ein paar zusätzliche Männer.«
»Besten Dank, Sir«, lächelte Bolitho.
»Ich komme in Kürze nach. Gehen Sie jetzt, und trinken Sie ein Glas Wein mit den Herren meines Stabes.«
In der Vorhalle setzte Bolitho Keen unverzüglich ins Bild. Erfreut zog der Midshipman die Brauen hoch. »Ich sage es sofort Mr. Davy, Sir. Allerdings habe ich meine Zweifel, daß John Company es uns danken wird, wenn wir Leute von seinem Indienfahrer schnappen.« Er lachte leise. »Und sie selbst werden auch nicht begeistert sein, Sir!«
Eilig schritt Bolitho den Gang hinunter, wo der Diener bereits auf ihn wartete. Seine Gedanken waren schon bei dem, was er von Strang gehört hatte. Beves Conway, damals Kapitän eines Zweideckers, war immer so etwas wie ein Held für ihn gewesen. Kalt und abweisend, gewiß – aber ein erstklassiger Seemann und niemals grundlos schroff, auch nicht gegenüber den Kadetten. Nachdem er das Kommando einige Jahre innegehabt hatte, war er noch vor Bolitho von Bord gegangen. Dann war er völlig von der Szene verschwunden – in der Flotte etwas Ungewöhnliches. Die Gesichter und Schiffe wechselten ständig wie der Wind, der ihr Leben beherrschte. Mit Conway an der Spitze bestand wohl kaum die Gefahr eines Mißerfolgs, dachte Bolitho.
Der Diener geleitete ihn zu einem Kuppelsaal, wo sich bereits eine Menge Menschen befanden, zu Bolithos Überraschung auch Frauen. Er sah Puigserver, immer noch in seinem provisorischen Galarock, und Raymond, der sich lebhaft mit einem vierschrötigen Major unterhielt. Sofort ließ Raymond seinen Partner stehen, kam mit einem knappen Nicken Bolitho entgegen, führte ihn im Saal herum, stellte ihn überall vor und konnte dabei kaum seine Ungeduld verbergen,
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