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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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wenn jemand Fragen über England stellte, etwas nach der letzten Mode daheim. Was »daheim« bedeutete, war etwas unklar; meistens war wohl London gemeint.
    Als Bolitho ein Glas Wein von einem devoten Diener entgegennahm, blieb Raymond kurz stehen. »Wie ein Haufen Kuhbauern!« Er lächelte einer vorübergehenden Dame zu, fuhr aber wütend fort: »Doch sie lassen es sich hier mächtig gutgehen!«
    Bolitho beobachtete ihn neugierig. Der Mann bemühte sich, Verachtung zu zeigen, war aber in Wirklichkeit einfach neidisch.
    Dann hörte er eine vertraute Stimme, und als er sich umwandte, sah er Mrs. Raymond, die sich mit einem Herrn unterhielt, mit dem er noch nicht bekannt gemacht war.
    Auch sie sah ihn sofort und rief: »Kommen Sie doch zu uns!« Ihr Lächeln erlosch, als sie ihren Mann bemerkte. »Wir haben über die hiesigen Sitten und Gebräuche gesprochen.«
    »Konteradmiral Conway, der neue Gouverneur von Teluk Pendang«, sagte Raymond kurz.
    Conway stand mit dem Rücken zu Bolitho. Er trug einen flaschengrünen Zivilrock und hielt die Schultern so gebeugt, daß es aussah, als stünde er gebückt. Jetzt wandte er sich um und sah Bolitho an; seine raschen, aufmerksamen Blicke registrierten jede Einzelheit.
    »Schön, Sie wiederzusehen, Sir«, sagte Bolitho. Weiter fiel ihm nichts ein. Hätte er Conway in Plymouth oder anderswo gesehen, er wäre an ihm vorbeigegangen. Konnte sich ein Mann in zwölf Jahren so verändern? Conway wirkte mager und angespannt, zwei tiefe Furchen liefen von der scharfen Adlernase zum Kinn, so daß es aussah, als sei der Mund an ihnen aufgehängt.
    Conway streckte die Hand aus. »Richard Bolitho, wie?« Der Händedruck war so knapp wie sein Ton. »Und sogar Fregattenkapitän. So, so.«
    Bolitho fing sich wieder. Conway war Konteradmiral, gewiß; aber abgesehen vom höheren Dienstalter stand er nur eine Rangstufe über ihm selbst. Und kein Adelstitel, weder Knight noch Lord, belegte seinen Aufstieg auf der Leiter des Erfolges.
    Ruhig sagte er: »Ich habe viel Glück gehabt, Sir.«
    Mrs. Raymond berührte Conways Ärmel mit ihrem Fächer.
    »Er ist viel zu bescheiden. Ich hatte die beste Gelegenheit, den Captain im Dienst zu beobachten und auch von seinen früheren Erfolgen zu hören.«
    Conways Blicke flogen zwischen beiden hin und her. »Hat er sie unterhaltsam erzählt, Ma'am?«
    »Ich hörte es von anderer Seite«, entgegnete sie kühl.
    »Captain Bolitho ein Selbstlob zu entreißen ist, als wolle man eine Auster mit einer Feder öffnen.«
    Conway zupfte ein Fädchen von seiner Weste. »Freut mich zu hören.«
    Raymond mischte sich ein. »Anscheinend soll ich mit Ihnen zu dem neuen Stützpunkt segeln, Sir.« Offensichtlich wollte er Conways Aufmerksamkeit von der plötzlichen Verstimmung seiner Frau ablenken.
    »Das ist richtig«, erwiderte Conway. »Und Captain Bolitho hier wird Ihnen bestätigen, daß ich Unfähigkeit und Schluderei nicht vertragen kann. Ich wünsche, daß jeder, der mit der Übernahme des Stützpunktes zu tun hat, an Ort und Stelle ist.« Verächtlich blickte er zu der schwatzenden Gesellschaft hinüber. »Und nicht hier in dieser verweichlichten Traumwelt herumlungert.«
    Mrs. Raymond, die hinter Conway stand, warf über dessen Schulter Bolitho einen Blick zu und verzog spöttisch den Mund.
    »Ich muß mit den Offizieren sprechen«, sagte Conway und neigte flüchtig den Kopf. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Ma'am?«
    Raymond wartete nur ein paar Sekunden, dann brach er los.
    »Mußt du ausgerechnet jetzt eine Szene machen, Viola? Conway kann weiß Gott wichtig für mich sein. Für uns beide!«
    Sie warf Bolitho einen Blick zu. »Er ist ein –«, sie suchte nach einem Ausdruck, »– ein aufgeblasenes Ekel!« Und zu ihrem Mann: »Es macht mich krank, wie du vor solchen Leuten katzbuckelst! Immer vor solchen Nieten!«
    Raymond starrte sie entgeistert an. »Was meinst du damit? Er ist schließlich der neue Gouverneur.«
    Viola warf jemandem am anderen Ende des Saales ein flüchtiges Lächeln zu. »Du hast ja keine Ahnung. Er ist ein Versager. Man braucht ihn nur anzusehen.«
    Merkwürdigerweise schien Raymond erleichtert. »Ist das alles? Ich dachte schon, du hättest etwas Bestimmtes gehört.« Er blickte Conway nach. »Jetzt muß ich wohl wieder zu ihm. Sir Montagu Strang hat mich angewiesen, ihm meine ganze Erfahrung zur Verfügung zu stellen.«
    Seine Frau bedeckte die Lippen mit dem Fächer und flüsterte: »Das dürfte nicht viel Zeit in Anspruch nehmen!«

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