Der Piratenlord
Sie Ihr Wort.“ Sie holte tief Luft. „Wenn ich mir nur den Mann aussuchen kann, der Ihnen zusagt, habe ich doch überhaupt keine Wahl, oder?“
Finster blickte der Captain sie an. Dann stieß er Petey fluchend zu Boden und schlug ihm dabei das Elfenbein und das Schnitzmesser aus den Händen. Petey schnappte nach Luft, als Captain Horn sich über ihn beugte. Seine Miene war die eines Mannes, dessen Kopf gerade von einer Rahnock getroffen worden war und den es nun in den Fingern juckte, den Schuldigen in Stücke zu reißen.
Als Gideon erst seine Finger spielen ließ und die Hände dann zu Fäusten ballte, rappelte Petey sich hoch. Er wollte nicht mit dem Captain kämpfen, weil seine Devise war, sich möglichst unauffällig an Bord zu verhalten. Doch er würde es tun, wenn er damit sich selbst und Miss Willis schützen könnte. „Hört beide auf damit!“ schrie Sara.
Captain Horn ignorierte sie. Er sah Petey geringschätzig und spöttisch zugleich an. Mit einer Handbewegung reizte er ihn. „Dann mal los, Hargraves. Worauf wartest du noch!“ Aufgestachelt von der herablassenden Art des Piraten, machte Petey eine rasche Armbewegung, womit er seinen Gegner niederstrecken wollte. Doch im nächsten Moment lag er selber flach auf dem Fußboden, und der Captain stand über ihm.
Ein grimmiger Ausdruck erschien auf Gideons Gesicht, als er den Fuß auf Peteys Brust stellte. „Eigentlich nicht schlecht,
Hargraves. Doch wer immer dir diese Kampfart beigebracht hat, hätte dich auch lehren sollen, den Hohn deines Gegners zu ignorieren. Wenn man asiatischen Kampfsport betreibt, muss man auch wie ein Asiat denken. Und das bedeutet, dass man seine Gefühle so weit wie möglich zu beherrschen lernt.“ Petey blickte ihn mit neu erwachtem Interesse an. Noch nie war er einem Seemann begegnet, der etwas über diese Dinge wusste. Aber Captain Horn war eben kein gewöhnlicher Seemann, sondern der Piratenlord.
Zu Peteys Überraschung nahm der Captain plötzlich den Fuß weg und reichte ihm die Hand. Petey zögerte einen Augenblick und ließ sich dann doch beim Aufstehen helfen.
Rasch ging Sara zu Petey. Ihr Gesicht drückte Besorgnis aus, als sie die Hände leicht über seine Arme und die Brust gleiten ließ. „Er hat dich doch nicht verletzt, oder?“
„Nein, Miss Willis, nur meinen Stolz.“ Kläglich lächelte er sie an.
Erst als er Captain Horns forschenden Blick sah, wurde ihm klar, dass er sich wie ein Diener verhielt und nicht wie ein Verlobter. Als er den Arm um Miss Willis Taille legte und dabei ihre überraschte Miene ignorierte, sah er, dass Gideon sie scharf beobachtete.
„Was für ein rührender Anblick.“ Captain Horns Miene zeigte Misstrauen und Ärger. „Und wenn ich bedenke, dass ich gar nicht gemerkt habe, welch große Leidenschaft sich direkt vor meinen Augen entwickelt hat.“
„Wie Miss Willis schon sagte: Sie hat mich gewählt.“ Petey straffte die Schultern. „Sicherlich hat Sie Ihnen erzählt, dass sie und ich uns auf der Chastity angefreundet haben.“ Auf diese Darstellung hatten sie sich am Vorabend geeinigt, obwohl sie gewusst hatten, dass sie nicht überzeugend war.
Offensichtlich fand der Captain das auch. „Sie hat so etwas behauptet.“ Daraufhin warf Gideon Sara einen begehrlichen Blick zu, unter dem sie in Peteys Arm erbebte. „Sie und ich sind uns in den vergangenen zwei Tagen auch recht nahe gekommen, nicht wahr, Sara?“
Als Petey sie anschaute, überraschte es ihn, dass sie heftig errötete. Sie sah ihn schuldbewusst an und blickte dann angestrengt auf ihre Hände. „Ich . . . ich habe keine Ahnung, wovon Sie . . . sprechen.“
„Natürlich nicht“, sagte der Captain erbost. „Ich hätte wissen müssen, dass eine doppelzüngige englische Dame wie Sie die Wahrheit über unser Verhältnis leugnen würde. Sie können sie ja vor mir und vor Ihrem Matrosen bestreiten. Doch es wird Ihnen schwer fallen, es auch vor sich selbst zu tun.“ Nach dieser seltsamen Bemerkung machte Gideon auf dem Absatz kehrt, schritt aus dem Vorderdeck, schlug die Tür hinter sich zu und ließ Petey ratlos zurück. Dass es etwas zwischen dem Captain und Miss Willis gab, war allerdings offensichtlich.
Verlegen wandte Sara sich von Petey ab. „Dieser Schuft! Dieser abscheuliche Kerl!“
Jetzt erst fiel Petey auf, wie aufgelöst sie aussah. Der Spitzenstreifen, der den Ansatz ihrer Brüste verdeckt hatte, war verschwunden, und eine der Schnüre ihres Unterhemds hing aus ihrem Mieder heraus. Ihn
Weitere Kostenlose Bücher