Der Piratenlord
ihrem Innern wusste sie, dass Silas Recht hatte. Er war gut und freundlich . . . und impotent. Sie würde nie Angst haben müssen, dass er sie verfolgte und sie gegen ihren Willen . . .
Sie biss sich auf die Lippe und versuchte, diese schrecklichen Gefühle zu unterdrücken, die sie immer wieder zum Weinen brachten.
Er näherte sich ihr aufmerksam. „Ich bin nicht blind, Louisa. Ich habe gesehen, dass Sie zusammenzucken, wenn ein Mann Sie anfasst. Ich habe das Entsetzen in Ihren Augen gesehen, noch ehe sie ihre Zunge schärften, um auf Abstand zu gehen.“ Er blieb dicht vor ihr stehen. „Sie glauben, wenn Sie sich bei mir nützlich machen, werde ich Sie heiraten, auch wenn ich vermutlich im Bett zu nichts tauge.“
„Das ist nicht wahr“, protestierte sie schwach, bevor ihr das Wort „vermutlich“ bewusst wurde. „Was meinen Sie mit vermutlich?“ Als ihr dann klar wurde, wie schrecklich diese Frage klang, stammelte sie: „Das heißt. . . nun ..."
„Regen Sie sich nicht darüber auf. Ich kann mir vorstellen, was dieser Narr Barnaby Ihnen erzählt hat. Dass ich eine Frau nicht lieben kann, nicht wahr?“
Louisa kämpfte mit sich, ob sie das zugeben sollte, doch dann beschloss sie, dass er so viel Ehrlichkeit schon verdiente.
„Ja.“
„Er hat Ihnen gesagt, dass ich Frauen nicht leiden kann, weil ich eine Niete im Bett bin, nicht wahr?“
Sie wandte ihr Gesicht ab und nickte.
„Nun, das stimmt nicht.“
Erschrocken sah sie ihn an. „Was meinen Sie damit?“
„Ich meine damit, dass all meine Körperteile so funktionstüchtig sind wie die des verdammten Engländers.“
„Aber warum . . .“
„Das ist eine lange Geschichte.“ Er presste die Lippen unter dem Schnurrbart zusammen. Als sie ihn erwartungsvoll anblickte, seufzte er und rieb sich das Kinn. „Als ich mein Bein verlor, hatte ich eine Lebensgefährtin auf einer der Westindischen Inseln. Eine Kreolin. Gideon brachte mich zur Genesung zu ihr, und sie hat sich um mich gekümmert. Doch mein Holzbein störte sie. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, doch eines Tages ertappte ich sie im Bett mit einem Krämer. Da wusste ich, dass sie mich nicht mehr liebte . . . wenn sie das überhaupt je getan hat.“
Als er sich abwandte, zum Tisch ging, sich schwer in einen Stuhl fallen ließ und seine Pfeife wieder nahm, wollte Louisa ihm folgen und ihn trösten. Armer Silas. Das war nicht gerecht. Er war ein guter Mann. Wie konnte eine Frau wegen so einer Nichtigkeit aufhören, ihren Mann zu lieben?
„Wir haben uns kurz darauf getrennt“, fuhr er fort. „Sie ging zu ihrem Krämer, und ich kehrte als Koch der Satyr auf See zurück. Doch die Männer vermuteten alle, dass unser Problem im Schlafzimmer zu suchen sei. Sie dachten, dass ich nicht nur mein Bein verletzt hatte.“ Silas blickte starr auf seine Pfeife herab. „Ich . . . habe es dabei belassen. Sollten sie nur glauben, dass meine Frau mich verlassen hatte, weil ich ihr nicht das geben konnte, auf das sie ein Recht hatte. Es hätte mir mehr ausgemacht zuzugeben, dass sie mich . . . nicht mehr haben wollte. Die Männer fanden das tragisch, und ich ließ sie in diesem Glauben. Nur Gideon kannte die Wahrheit, und er hat mein Geheimnis nie preisgegeben. “
Er zog heftig an der Pfeife und stieß den Rauch aus, der um ihn herumwirbelte. „Ehrlich gesagt, war ich danach an Frauen sowieso nicht mehr interessiert. Sie hatte auf meinen Gefühlen herumgetrampelt, und ich war überzeugt, dass ich keine mehr finden würde, die etwas für mich empfinden würde. Also blieb ich ohne eine Frau, außer, wenn ich mich in einem Hafen heimlich davonstehlen und mir eine Dirne suchen konnte.“
Immer mutloser wischte Louisa sich die feuchten Hände am Rock ab. Sie wusste, wohin das führte, doch sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm Einhalt gebieten sollte.
Mit klaren Augen blickte er zu ihr auf. „Dann sind Sie aufgetaucht, ein Hitzkopf, wie ich ihn noch nicht erlebt habe. Sie waren die Stimulans, die ein Mann sich nur wünschen kann. Und ich wusste, dass ich Ihnen die Wahrheit sagen müsste.“ „Sprechen Sie nicht weiter. Bitte, Silas . . .“
„Ich muss es tun, Louisa. Sie haben mich betört, weil sie glaubten, dass ich kein richtiger Mann sei, und weil irgendein Bastard Ihnen Angst eingejagt hat. Ich möchte zwar gern annehmen, dass mehr dahinter steckte . . .“
„So war es auch!“ Natürlich war sie nicht nur mit ihm zusammen gewesen, weil sie sich vor ihm sicher glaubte. Als er sie
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