Der Piratenlord
seine Männer seit Stunden. Und er hätte sich gewiss an keinen von ihnen gewandt.
Also blieb nur noch sie. Obwohl sie wusste, dass er ihr Mitgefühl nicht schätzen würde, konnte sie ihn nicht auch noch sich selbst überlassen. Sie trat hinter ihn und legte ihm die Hand auf den nackten Rücken. „Gideon?“
Sie spürte die angespannten Muskeln. „Verschwinden Sie, Sara.“
Weil der harte und schroffe Klang seiner Stimme sie bestürzte, kam sie seiner Aufforderung nach. Doch dann änderte sie ihre Meinung. Er durfte jetzt nicht allein sein, auch wenn er das gern wollte. Wenig später schob sie die Hand in seine Armbeuge und trat neben ihn. „Ich kann nicht. Ich möchte irgendetwas tun.“
„Es gibt nichts zu tun. Gehen Sie wieder schlafen, und lassen Sie mich in Ruhe.“
Als sie sein Profil betrachtete, sah sie, dass es maskenhaft starr war. Doch in seinen Augen spiegelte sich tiefer Schmerz wider.
„Atlantis bedeutet Ihnen sehr viel, nicht wahr?“ flüsterte sie. „Sara“, begann er mit warnendem Unterton.
„Aber das muss doch nicht das Ende sein.“
Ein bitterer Laut entwich seinen Lippen, als er sich zu ihr umdrehte und sich von ihr losriss. „Das ist das Ende! Sara, haben Sie keine Augen im Kopf? Es ist alles zerstört!“ Er machte eine weit ausholende Handbewegung. „Da ist nichts übrig geblieben!“
„Aber wir können es doch wieder aufbauen. Bessere neue Häuser errichten.“
„Aufbauen?“ spottete er und stemmte die Hände in die Hüften. „Wissen Sie eigentlich, wie lange es gedauert hat, diese einfachen Hütten zu bauen, die Bäume abzusägen, sie zu Brettern zu schneiden und genügend Stroh für die Dächer zu finden? Monate! “
„Diesmal wird es nicht so lange dauern. Sie haben Hilfe. Wir alle können Sie dabei unterstützen.“
Ein Muskel zuckte in seiner Wange. „O ja, Sie werden uns helfen. Sie alle hassen uns doch. Kurz bevor das Feuer ausgebrochen ist, haben Sie damit gedroht, alle Verantwortung für die Insel abzulehnen, wenn es nicht nach Ihrem Kopf geht. Sie haben umsonst gedroht. Wir sind nun ohnehin fertig. Wahrscheinlich haben sich alle Frauen darüber gefreut. “
Seine Worte taten ihr weh. Sicherlich hatte er gute Gründe, so zu denken, doch . . . „Das ist nicht wahr. Sie wissen, dass wir alles getan haben, um das Feuer zu löschen.“
„Vielleicht.“ Als sie ihn empört anschaute, fügte er widerwillig hinzu: „Na gut, ja. Sie und die anderen Frauen haben geholfen. Aber das heißt noch nicht, dass Sie uns beim Wiederaufbau unterstützen werden. Warum sollten Sie auch? Es bringt Ihnen nur Gesetzlose als Ehemänner ein.“
Sie zuckte unter seiner sarkastischen Bemerkung zusammen. Aber hatte sie die Piraten nicht auch als Gesetzlose bezeichnet? Sie schämte sich nicht für das, was sie gesagt hatte. Doch sie wollte es nicht noch einmal hören, nachdem er und die Männer alles verloren hatten.
„Die Lage hat sich geändert“, sagte sie leise. „Ich möchte nicht. . . wir möchten nicht, dass Sie heimatlos sind. Vielleicht könnten wir ja unsere Differenzen so lange beilegen, bis . . . bis wir alle zusammen die Insel wieder in Ordnung gebracht haben.“
Er lehnte sich wieder an die Reling, und in seinem Gesicht spiegelte sich Wut und Enttäuschung zugleich. „Wirklich? Wie großzügig von Ihnen.“
Allmählich wurde sie zornig, doch sie riss sich zusammen, bevor sie ihm antwortete. Er wollte sie davonjagen, damit er in Hoffnungslosigkeit versinken konnte. Doch genau das würde alles nur noch schlimmer machen.
„Ja, wirklich, Gideon, ich möchte helfen, Atlantis wieder aufzubauen.“ Sie nahm all ihren Mut zusammen und fügte hinzu: „Vorgesetzt natürlich, Sie sind bereit, für sie zu kämpfen, statt sie aufzugeben.“
Seine Augen funkelten. „Sie sind die scheinheiligste, starrköpfigste Frau, die ich je kennen gelernt habe!“ Er stieß sich von der Reling ab und packte sie schmerzhaft bei den Schultern. „Geben Sie denn nie auf?“
„Nein! “ Trotz der Wut, in die sie ihn bewusst gebracht hatte,
wich sie seinem Blick nicht aus. „Ich fürchte, das ist mein Wesen. Ich muss so lange weitermachen, bis ich meine Ziele erreicht und meine Reformen durchgeführt habe“, fügte sie fast trotzig hinzu. „Und zwar alle.“
Kalt sah er sie an. „Das versuchen Sie besser nicht bei mir. Ich lasse mich nicht verändern. “
Plötzlich verschwand seine Wut, aber an ihre Stelle trat etwas anderes, etwas Bedrohliches und auch Bösartiges. Er ließ
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