Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders
1987 fand er sich dann doch zum ersten Mal hinter Gittern wieder, in einer Polizeistation in Tocantinópolis. Man hatte ihn festgenommen, auf der Flucht, nachdem er eine Mutter getötet hatte, die ihren acht Monate alten Sohn umgebracht hatte, um sich an ihrem Mann zu rächen, der sie betrog. Auftraggeber war der Ehemann gewesen.
An jenem Tag war Júlio am Nachmittag aus dem Haus gegangen und auf seinem Motorrad, einer roten 125er Honda, davongefahren. Nach Tocantinópolis zu kommen war kein Problem. Die Stadt liegt von Porto Franco aus am gegenüberliegenden Ufer des Flusses. Júlio fuhr bis zum Fluss, etwa zwei Kilometer von seinem Haus entfernt, parkte das Motorrad unter einem Baum und nahm eines der Boote, die als Fähre über den Tocantins fuhren. In weniger als einer Minute war er auf der anderen Seite. Er hatte bereits alles vereinbart mit seinem Auftraggeber, dem Einzelhändler Luciano. Seiner Frau hatte Luciano erzählt, er würde einen Freund zum Essen mitbringen. Dann wollte er unter dem Vorwand weggehen, noch mehr Bier zu besorgen, und seine Frau mit dem vermeintlichen Freund allein lassen. Fünfzehn Minuten später wollte Luciano zurückkommen, und dann sollte die Frau tot sein. Niemand würde ihn beschuldigen können, da er zum Todeszeitpunkt ja nicht zu Hause war. Dann musste Júlio nur noch ungesehen nach Porto Franco zurückkehren.
»Lass das meine Sorge sein, für meine Arbeit lege ich meine Hand ins Feuer«, hatte Júlio zu Luciano gesagt.
Für die wenigen Menschen, die ihn in Tocantinópolis kannten, war er Polizist. Das würde ihm helfen. Also betrat er die Stadt in seiner Polizeiuniform, darunter trug er eine kurze Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Unter dem Hemd hatte er außerdem einen breitkrempigen Strohhut verborgen, den er bei der Flucht aufsetzen wollte. Nach dem Verbrechen wollte er seine Uniform ausziehen und sie in einer Plastiktüte verstauen. Dann würde er Lucianos Haus durch die Vordertüre verlassen, als sei nichts geschehen, und auf einem Fahrrad davonfahren, das an eine Mauer gelehnt bereitstand. In zwei oder drei Minuten wäre er wieder am Fluss, würde das Boot nehmen, am anderen Ufer auf sein Motorrad steigen und wäre sofort wieder zu Hause in Sicherheit. Die fünftausend Cruzados hatte er bereits im Voraus erhalten.
Alles verlief, wie Luciano und er es geplant hatten. Bis zu dem Moment, in dem dieser sagte, er wolle Bier holen gehen. Genau in dem Augenblick, in dem Luciano das Haus verließ, ging seine Frau Alzimara im Badezimmer auf die Toilette. Die Zeit verging, sie kam nicht heraus. Júlio zählte die Minuten, nach fünf Minuten ging er zur Tür. Es war mucksmäuschenstill. Júlio fragte, ob er sich Wasser aus dem Kühlschrank holen dürfe. Die Frau antwortete von drinnen, natürlich dürfe er. Er begann, unruhig zu werden. Was wie eine einfache Sache ausgesehen hatte, begann kompliziert zu werden. Er ging hinters Haus und sah den Wasserbottich, in dem er die Frau töten sollte. Das hatte Luciano verlangt. Er wollte, dass seine Frau ertrinkt. »So hat sie unser Baby getötet«, hatte er Júlio erzählt, als er ihn angeheuert hatte. Das Fass war bis oben hin voll. Die Frau saß weiterhin auf der Toilette. Es waren schon sieben Minuten vergangen. Júlio konnte nicht länger warten.
Er warf sich mit der rechten Schulter gegen die Holztür des Badezimmers und brach sie auf. Alzimara hockte eingezwängt in der Ecke zwischen Toilette und der unverputzen Rückwand.
»Bitte bring mich nicht um«, flüsterte sie.
»Warum glauben Sie, dass ich Sie umbringen werde?«
»Weil er, seit ich diese Dummheit mit unserem Kind gemacht habe, sagt, dass er mich umbringen lässt.«
»Und warum glauben Sie, dass ich derjenige bin?«
»Weil Sie Polizist sind und eine Waffe haben. Bitte tun Sie es nicht. Haben Sie Mitleid.«
Ohne ein Wort nahm Júlio die Frau am Unterarm und schleifte sie aus dem Bad. Alzimara versuchte sich an allem festzuklammern, was sie greifen konnte, die Toilette, das Wasserrohr, den Wäscheeimer, und brüllte:
»Hilfe! Um Gottes Willen, zu Hilfe!«
»Wenn Sie nicht aufhören zu schreien, wird es noch schlimmer.«
»Hilfe, Hilfe«, schrie sie.
Um sie zum Schweigen zu bringen, verpasste ihr Júlio einen Fausthieb ins Gesicht. Alzimara fiel in Ohnmacht. Es war das erste und einzige Mal, dass er eine Frau schlug. Er hatte bereits mehrere Frauen getötet, aber eine Frau zu schlagen, empfand er als feige. Mit Mühe schleifte er die Frau an den Armen hinter das
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