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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Stimme.
    Die Gefährten umringten mich. Sie schoben die Überreste des mürben Metallnetzes beiseite und betrachteten die leichten, fast gewichtslosen kleinen Gebilde. Schüttete man sie aus der einen Hand in die andere, so raschelten und klirrten sie leise wie metallene Schuppen. Bei jedem Schritt spritzten Hunderte kleiner Stückchen zermalmt nach allen Seiten. Plötzlich erinnerte ich mich wieder an die Zeichnung und hob den Reflektor in die Höhe. Die Linien traten aus dem Dunkel hervor.
    „Das sieht ja wie ein heliozentrisches System aus“, murmelte Rainer, „in der Mitte die Sonne, der Merkur … dann die Bahn der Venus … die der Erde … Natürlich, das ist doch unser Sonnensystem!“ „Dort ist aber noch etwas.“
    Von der Venus führte eine mit kleinen Löchern punktierte Linie geradenwegs zur Erde und verband die beiden Planeten miteinander. Mich packte eine Angst, wie ich sie noch nie gekannt hatte. Ich blickte mich instinktiv um. Aber außer meinen Gefährten war niemand in der Höhle. Leise bewegten sich die Metallfetzen, federleichte Rußflocken stäubten herab.
    „Hier waren Menschen …“, flüsterte ich. Laut zu sprechen wagte ich nicht.
    „Nein, das ist nicht von Menschenhand geschaffen“, antwortete Arsenjew.
    „Einen ganz merkwürdigen Glanz hat die Wand …“, sagte ich nach einer Weile. Die Oberfläche der Wand war mit einem Netz feinster, bläulicher Äderchen überzogen.
    „Was kann das sein, Doktor Rainer?“
    „Ich weiß nicht, ich habe so etwas noch nie gesehen … Es könnte beinahe Avanturit sein, Avanturit, das einer ungewöhnlich hohen Temperatur ausgesetzt war. Also ich weiß es wirklich nicht“, wiederholte er.
    Arsenjew steckte ein Handvoll Metallkörner in die Tasche des Skaphanders. „Freunde, wir können in diesem Augenblick die Bedeutung unserer Entdeckung nicht beurteilen. Wir müssen weitergehen, und zwar rasch. In vier Stunden ist es Nacht.“
    Schweigend verließen wir die Grotte. Der Nebel war etwas dunkler geworden und hatte eine bläuliche Tönung angenommen, aber er lichtete sich. Als wir den sanft abfallenden Weg hinabgingen, konnte ich bereits den letzten von uns mühelos erblicken.
    Das Gelände war nun verhältnismäßig eben, so daß wir die nächsten zehn Kilometer ziemlich schnell zurücklegen konnten. Dann schien der Boden wieder anzusteigen. Es konnte aber auch eine Täuschung sein … Plötzlich ertönte vor mir aus dem Nebel ein unterdrückter Ruf, dem ein dumpfes Echo folgte. Ich sprang vorwärts.
    Arsenjew lag, auf die Hände gestützt, am Boden. „Stehenbleiben, stehenbleiben!“ rief er und hob warnend seinen Pickel. Vor ihm öffnete sich eine finstere Kluft, deren Grund im Nebel verschwand. Den gegenüberliegenden Rand konnte man selbst mit Hilfe des Radargerätes nicht erkennen. Rainer meinte, daß womöglich überhaupt keiner da sei und daß wir am Rande eines Steilhanges stünden, der die Hochfläche von der Ebene trennt.
    „Bis zur Rakete sind es keine dreißig Kilometer mehr“, sagte Arsenjew und versuchte, sich auf der Karte zu orientieren. Diese war leider sehr skizzenhaft und hatte uns während des Marsches schon einige Male irregeführt. „Hinabsteigen müssen wir. Je tiefer wir sind, um so besser. Vielleicht finden wir dort einen Unterschlupf.“
    Bereits einige Hundert Schritte weiter fiel die Wand nicht mehr senkrecht ab. ln den Schirmen der Radargeräte glomm das grünliche Bild schräger Flächen auf, die zum Abstieg ermunterten. Ich übernahm wieder die Spitze. Um mich herum wanden sich dichte, geschmeidige Dunstballen. Es wurde immer dunkler, der Nebel färbte sich tiefblau, dann schwärzlichgrau und schließlich violett. An einigen Stellen mußten wir die Hände zu Hilfe nehmen, da die eisenbeschlagenen Schuhspitzen an den glatten Schollen keinen Halt fanden. Es ging nicht ohne leichte Stürze ab. Weiter unten war die Wand weniger steil; dafür aber von tiefen, sich kreuzenden Rinnen durchschnitten. Wir mußten scharf aufpassen; denn ein Fehltritt konnte einen gebrochenen Fuß zur Folge haben.
    Mich überholte jemand, ich glaube, es war Arsenjew. Ich sah in das weiße, von vielfachen Regenbogenfarben umgebene Licht seines Reflektors. Das Strahlenbündel schwankte eine Weile im Gleichmaß der Schritte, senkte sich zu Boden und stand still. Ich war geblendet und stürzte bis über die Knie in einen tiefen Spalt. Eine gezerrte Sehne schmerzte. Ich setzte mich hin, um den Fuß zu untersuchen. Das Seil scheuerte kurze Zeit

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