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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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an den Steinen, dann spannte es sich. „Hallo, Professor, bleiben Sie eine Weile stehen!“ rief ich hinunter.
    Niemand antwortete. Ich erhob mich und ging leicht hinkend auf den Lichtschein zu, in dem sich verschwommene Gestalten bewegten.
    Plötzlich erlosch das Licht des Reflektors.
    „Da kann man nichts machen, wir müssen hinkriechen“, hörte ich Rainer sagen.
    „Warten sie.“ Das war die Stimme Arsenjews. Der Reflektor flammte wieder auf, und sein Licht wurde im Dunst zu einem zitternden, farbigen Strahlenkranz. Ich bemerkte nun, daß sich beide vornüber beugten. Zu ihren Füßen brach der feste Boden schroff ab. Dort schwammen nur dunkle Nebelstreifen.
    In diesem Augenblick tauchte der Helm Soltyks aus der Tiefe auf. Rainer half dem Gefährten, sich auf den Rand des Felsens schwingen.
    „Hinuntersteigen kann man“, sagte der Ingenieur. „Das Gefälle nimmt ab, aber es wird immer heißer, je tiefer man kommt.“
    „Heißer wird es? Da sind wir wohl auf dem besten Wege ins Innere des Planeten“, meinte Rainer. Unwillkürlich rückten wir näher zusammen. Der Reflektor beleuchtete vier schwarze Riesen in faltigen Gewändern. In den Gläsern der Helme glitzerten Funken.
    „Wir werden eine Magnesiumpatrone opfern müssen“, sagte Arsenjew und zog ein flaches Magazin aus der Tasche. Es waren die Patronen der Leuchtpistole, die in dem Hubschrauber zurückgeblieben war. „Hat jemand von euch zufälligerweise ein Taschentuch in der Außentasche?“
    Rainer hatte eines. Der Astronom befestigte die Ecken des Tuches mit ein paar Fäden an der Patrone. In meinem Kopf dämmerte es: Der Professor wußte sich auch ohne Leuchtpistole zu helfen. Ein-, zweimal schlug er mit dem Messergriff auf die Zündkapsel der Patrone. Als es zischte, warf er das Päckchen über den Felsrand.
    Gespannt verfolgten wir es mit unseren Blicken. Das blendende Magnesiumlicht zerteilte den Nebel. Der Abhang, auf dem wir standen, löste sich aus dem Dunkel, auch die gegenüberliegende Wand wurde sichtbar; sie war vielleicht sechzig Meter von uns entfernt. Gleich darauf umhüllte eine hellerleuchtete Dampfwolke die Patrone, aber nicht lange, dann zerflossen die Dunstballen wieder. Mit erneuter, jedoch rasch abnehmender Stärke brachen die Strahlen unter dem improvisierten Fallschirm hervor. Zitternd verschmolz das Licht mit dem Dunstschleier. Drunten in der Tiefe zeigte sich eine schwärzliche, langgestreckte Masse, die wie erstarrte Lavawellen glänzte. Als der Glanz nachließ, schien es mir, als ob sich diese Masse verbreiterte und dann wieder zusammenzöge wie der Leib einer Schlange, die ihre Beute verschlingt.
    Dann verschwand alles im Dunkel.
    Als wir vom Rande der Schlucht zurückgetreten waren, blieb Arsenjew stehen und steckte die Hände hinter den Gürtel des Skaphanders. „So ist es hier immer wieder … Wenn man glaubt, daß die letzten Zweifel zerstreut sind, tauchen hundert neue auf. Was meint ihr zu dem dort?“ Er wies mit der Hand nach unten.
    „Ich habe eine Bewegung bemerkt“, begann Rainer zögernd, „weiß allerdings nicht, ob ich mich täusche, aber …“ „Nein, Sie täuschen sich nicht“, unterbrach ihn der Astronom. „Man könnte ja noch eine Patrone opfern; aber es lohnt sich nicht.“
    Er beugte sich wieder über den Felsrand. Eine Lichtgarbe schoß aus seinem Reflektor in die Tiefe und wurde vom Nebel verschluckt. „Was kann das sein, zum Teufel?“
    „Vielleicht ein Lavastrom?“ äußerte Rainer vorsichtig. „Ich hatte den Eindruck, daß die Masse fließt.“
    „Die Temperatur ist zu niedrig.“
    „Vielleicht irgendein Kanal?“
    „Kanäle auf der Venus?“
    „Bis dort hinunter sind es nicht mehr als dreißig Meter“, warf ich ein.
    „Ein solches Licht erschwert die Schätzung ungeheuer. Na, es hilft ja alles nichts, wir müssen hinunter. Bitte, mir nach.“
    Arsenjew ließ sich als erster hinabgleiten. Das Gesicht zur Wand gekehrt, folgten wir ihm. Da das Gefälle geringer wurde, konnten wir uns umdrehen und etwas schneller ausschreiten. Über dem Felsen, der wie Basalt aussah, verliefen Rillen mit scharfen Kanten. Plötzlich rief Soltyk: „Achtung, da ist es!“
    Der Reflektor bewegte sich nicht weiter. In seinem Strahlenbündel erschien ein gewölbter Wall, der fettigschwarz wie der Rücken eines Walfisches glänzte. Er füllte das flache Felsbett aus, erhob sich sogar über die Steine des Ufers, die einige Dutzend Meter voneinander entfernt waren, und verschwand nach beiden Seiten aus

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