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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dem Bereich des Lichtes. Die Oberfläche dieser Masse befand sich in einem ständigen langsamen Auf-und Abwogen. Es war eine rhythmische Kontraktion, deren Wellen von der rechten Seite her in Erscheinung traten und auf der linken ausliefen.
    „Peristaltik“, flüsterte einer.
    Arsenjew ging über einen Felsen, der wie ein Steg in das Felsbett hineinragte, auf die schwarze Masse zu. Am äußersten Ende blieb er stehen, so daß er sie mit dem Fuß betasten konnte. Ein kleistriger Spritzer blieb an seinem Schuh haften. Die Umgebung der berührten Stelle wallte auf. Der regelmäßige Rhythmus, in dem sich die Masse bis jetzt bewegt hatte, verlor sich. Die Luft erzitterte leicht. Ein Windhauch strich die Wände entlang. Der glänzende Brei fing an, sich langsam aufzutürmen und beulenförmig übereinanderzuschieben. Zeitweise erstarrte die Masse, halbflüssig wie sie war, bis sie schließlich einen breiten, auseinanderfließenden Ausläufer wie einen Fühler gegen den Rand des Felsens vorstreckte, auf dem Arsenjew stand.
    „Vorsicht, Professor!“ rief ich.
    Unbeweglich erwartete er das herankommende Etwas. Der schwarze Brei berührte seine Schuhe. Dann zog er sich zurück, um sich plötzlich wieder nach vorn zu stürzen und sie zu umschließen. Aus dem Nebel tauchte ein Buckel auf und rollte wie eine Woge in der Brandung auf Arsenjew zu. Einer von uns, ich glaube, es war Rainer, schaltete seinen Reflektor an. Der Professor schrie auf und versuchte zurückzuweichen. Es umflutete ihn bis an die Knie. Wieder durchzuckte die schwarze Masse ein krampfhaftes Beben.
    „Zurück, Professor, zurück!“ schrie ich. Ich konnte nicht begreifen, warum er stehenblieb, wie mit dem Fels verwachsen. Er krümmte sich zusammen, seine Schultern bebten, als wolle er eine schwere Last hochheben. Soltyk, der ihm am nächsten war, sprang von der Seite auf ihn zu und wollte ihn zurückreißen. Er glitt jedoch aus und fiel bis an die Hüften in den schwarzen Brei. Er stieß einen unterdrückten Schrei aus. Ich hielt das Seil mit beiden Händen und zog aus Leibeskräften. Rainer faßte weiter unten zu. In breiten Schlingen flog es klatschend auf das Gestein. Im Licht des Reflektors sah ich Soltyks Gesicht, das krampfhaft verzerrt war. In breiter Front drang der schwarze Strom jetzt gegen das Ufer vor. Aber wir waren schneller. Ich erwischte Soltyk an der Schulter und bekam mit der anderen Hand Arsenjew zu packen; Rainer half mir, auf den Abhang hinaufzuklettern. Die beiden Geretteten stützten sich mit ihrem ganzen Gewicht auf mich. Einer von ihnen atmete schwer und stöhnte.
    „Sind Sie verwundet?“ fragte ich erschrocken; denn keiner von ihnen brachte ein Wort hervor.
    „Weiter, weiter hinauf!“ schrie Rainer. Beide Gefährten mit mir schleppend, kletterte ich weiter. Sie vermochten kaum einen Schritt zu tun; es war, als hätten sich ihre Beine in Stelzen verwandelt.
    „Ein Schlag … ein elektrischer Schlag …“, stammelte Arsenjew endlich und bemühte sich, die zusammengepreßte Kehle wieder in seine Gewalt zu bekommen. Wir stiegen noch einige Meter höher. Arsenjew hatte seinen Reflektor verloren. Ich zog meinen heraus und richtete die Linse nach unten. Dann drückte ich auf den Knopf.
    Was dort unten vor sich ging, war wie ein Schlammausbruch; doch die Bewegung in dieser schwarzen Masse war nicht passiv, der Schwerkraft gehorchend. Sie blähte sich zu ekelerregenden Blasen auf, schwoll an, aus ihrer Tiefe quollen immer neue Wellen herauf und überfluteten das Ufer.
    „Alle zurück!“ rief plötzlich eine kraftvolle Stimme. Ich sehe diese Szene noch vor mir, als wäre es heute gewesen. Arsenjew hatte sich von meinem Arm losgerissen. Er griff in die Tasche, die von Soltyks Schulter herabhing, packte den Strahlenwerfer und zielte.
    Zischend schoß ein weißer Blitz in die Tiefe. Eine furchtbare Glut streifte meine Brust. Arsenjew zog noch einmal ab. Ein zweiter Blitz schlug wie ein Bruchstück der Sonne genau in die Mitte der aufgequollenen schwarzen Masse. Dann wurde es auf einmal dunkel. Ich wußte zwar, daß man nicht auf die Mündung eines tätigen Strahlenwerfers schauen durfte, hatte aber doch nicht widerstehen können. Nun tanzten goldene und schwarze Kreise vor meinen Augen. Eine ganze Weile sah ich überhaupt nichts, obwohl ich krampfhaft auf den Knopf meines Reflektors drückte. Endlich verblaßten die dunklen Ringe.
    Das Felsbett war leer. Verkohlte Überreste, Schlackebrocken, Berge klebriger Asche erloschen und

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