Der Planet des Todes
einer nach dem andern den Schritt, und der Abstand zwischen uns vergrößerte sich immer mehr. Rainer schwankte hinter Arsenjew her, tief gebeugt, als wäre er um einen Kopf kleiner geworden. Er vermochte kaum noch die Füße zu heben. Plötzlich setzte er sich hin.
Der Astronom drehte sich um und sprach wie zu einem kleinen Kind: „Na, Heinrich, steh doch auf.“
Rainer antwortete nicht. Halbausgestreckt lag er da, sein Atem keuchte. Ich trat näher, um ihm zu helfen; aber der Astronom hielt mich zurück. „Nein, er wird allein aufstehen.“
Der Chemiker stemmte sich mit den Händen gegen die Steine, richtete sich mühsam wie unter einer ungeheuren Last auf und kam uns nach.
Vom weiteren Weg ist nicht viel in meiner Erinnerung haftengeblieben. Mir war zumute, als ob mein Hirn allmählich erstarrte. Ich ging in einem Halbschlaf weiter, aus dem ich nur von Zeit zu Zeit aufschreckte. Der Druck in den Sauerstoffflaschen war bereits auf dreißig Atmosphären gesunken. Wir mußten also gehen, ununterbrochen gehen, um unser Ziel zu erreichen, bevor sie leer waren. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß jemand hinter uns herschleiche. Das Sonderbare war, daß auch die anderen davon erfaßt wurden. Rainer, der sich als letzter dahinschleppte, fiel einige Male, da er sich ständig umsah. Von Zeit zu Zeit wechselten wir uns in der Führung ab, da es zu sehr ermüdete, in dieser Finsternis nach dem Weg Ausschau zu halten.
Ich hatte gerade wieder die Spitze übernommen, als ich hoch in den Wolken eine weiße, verschwommene Säule erblickte. Aus dem steinigen Boden, der nun anstieg, ragten rauhe, holprige Felstafeln empor. Die weiße Säule pendelte langsam durch die Wolken. Eine neue, geheimnisvolle Erscheinung, schoß es mir durch den Kopf. Ein Ausruf des Astronomen berichtigte meinen Irrtum. Felsbrocken knirschten unter den Füßen. Nach einigen Hundert Schritten standen wir am Engpaß zum See. Weit unten schimmerte das Nebelmeer. Aus seiner Tiefe wuchs eine leuchtende Säule in den Himmel, das Scheinwerferlicht der Rakete.
Das Experiment
Bis zu dem Zeitpunkt, wo der Tote Wald den Radiowellen den Weg versperrte, hatte Lao Tsu die Verbindung mit dem Hubschrauber aufrechterhalten. Den ganzen Tag über waren die Gefährten mit der Untersuchung des Seegrundes beschäftigt gewesen. Als die achte Stunde verging, ohne daß wir zurückkehrten, startete Oswatitsch. Nachdem er die akustische Spur gefunden hatte, begann er mit der Suche nach uns. Das Flugzeug konnte nicht so langsam und so niedrig wie der Hubschrauber fliegen. Deshalb verlor Oswatitsch einige Male die Spur, und es dauerte zwei Stunden, bis er den Krater erreichte. Er unternahm einige hartnäckige Versuche, auf dem Boden des Abgrundes zu landen; aber sie waren vergeblich und hätten beinahe eine Katastrophe zur Folge gehabt, da heimtückische Luftströmungen das Flugzeug in die Tiefe zogen. Oswatitsch kreiste in den Wolken und rief uns ständig durch das Bordsprechgerät an. Als auch dies ohne Erfolg blieb, warf er an den Hängen des Kraters Säcke mit Lebensmitteln ab und flog zurück. Er hatte gerade noch so viel Treibstoff an Bord, daß er mit Mühe und Not den See erreichte. Im Laufe des nächsten Tages wurden die Gefährten immer unruhiger. Sie erwogen, ob sie sich nicht, entgegen unserem Plan, doch mit dem „Kosmokrator“ auf die Suche begeben sollten. Inzwischen brach die Venusnacht an. Schwere Stürme waren zu erwarten, und der Bug der Rakete mußte mit Stahltrossen am Ufer befestigt werden.
Der Orkan kam ganz plötzlich. Mit einer Geschwindigkeit von über dreihundert Stundenkilometern preßten sich die Luftmassen durch den Felsenschlund in den Talkessel. Der „Kosmokrator“, von den Wellen hin und her geschleudert, zerrte mit aller Gewalt an den Stahlseilen. Um dem furchtbaren Druck von Luft und Wasser entgegenzuwirken, ließ Oswatitsch die Motoren an und hielt die Rakete mit dem Bug gegen den Wind. Trotzdem riß eine der Trossen, und das Raumschiff wurde gegen das Ufer getrieben. Fast schien das Verlassen des Sees der einzige Ausweg zu sein. Aber die Gefährten blieben dennoch, da ja die Möglichkeit bestand, daß wir bereits in der Nähe wären und uns nur der Orkan daran hinderte, zurückzukehren.
Sechs Stunden lang wühlte der „Kosmokrator“ das Wasser mit seinen Auspuffgasen auf und verringerte dadurch den Druck auf die Stahlseile. Als die größte Wut des Orkans vorüber war, schalteten die Gefährten den großen Reflektor ein, dessen
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