Der Planet des Todes
die Ferne.
„Sie haben recht, es ist sehr schwer zu verstehen“, erwiderte Chandrasekar mit einem leichten Seufzer. „Ich habe schon über die verschiedensten Möglichkeiten nachgedacht. Vielleicht wollen Sie etwas dazu sagen?“
„Ich könnte mir vorstellen, daß ein oder mehrere Raumschiffe bereits abgeschossen worden sind und die weiße Kugel jetzt tätig ist, weil die Rückkehr erwartet wird“, meinte Oswatitsch. „Vielleicht ist es leichter, sie in ständiger Tätigkeit zu halten, als sie nur dann in Gang zu bringen, wenn ein Schiff abfliegt oder landen will.“
Chandrasekar nickte. „An eine solche Möglichkeit haben wir gedacht. Diese Annahme fällt jedoch im Feuer einer physikalisch-mathematischen Analyse zu einem Nichts zusammen. Die weiße Kugel kann innerhalb weniger Sekunden in Tätigkeit gesetzt werden. Die Energieverschwendung, mit der sie zur Zeit arbeitet, ist bei so hervorragenden Konstrukteuren, wie es die Bewohner der Venus sind, erstaunlich. Nach flüchtiger Berechnung beträgt die Leistung dieser Anlage rund hundert Milliarden Kilowatt.“
„Vielleicht sind es Versuche?“ warf ich ein.
„Versuche?!“ rief Arsenjew. Er sprang auf und stützte sich mit den Fäusten auf den Tisch. „Das sollen Versuche sein? Versuche, die schon monatelang andauern? Denn soviel Zeit ist bereits verflossen, seit wir hier angekommen sind, und die Kugel ist stets nur in der gleichen Weise tätig. Das sollen Versuche sein? Daran glaube ich nicht. Neben den rein verstandesmäßigen Voraussetzungen habe ich auch noch meinen Instinkt als Physiker und Mathematiker. Wenn ich diese graphischen Darstellungen betrachte, so kommt alles in mir hoch. Dieses Zu- und Abnehmen, dieses träge Fluten der Ströme, diese plötzlichen Sprünge und das ebenso plötzliche Absinken der Spannung, was soll das alles bedeuten?“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Drei Stunden habe ich über dem Kram gesessen. Das ist alles so ungereimt, unsinnig, idiotisch. Ganz einfach idiotisch, versteht ihr! Übrigens … Was bedeutet dieses geborstene, zerrissene Rohr in der Schlucht? Und der Krater? Das sollen wohl Spuren der ,Versuche‘ sein, was?“
Er machte eine hilflos wütende Handbewegung und ließ sich in den Sessel fallen.
„Da ist noch eines … Vielleicht sollte man es in Betracht ziehen …“, sagte Oswatitsch. Er sprach sehr leise, als ob er sich seiner Sache noch nicht sicher sei. „Ich denke an das Protoplasma im schwarzen Fluß. Wäre es nicht möglich, daß das … daß es dies alles schuf und dann degenerierte, das heißt, irgendeiner Vertierung unterlag?“
„Ach, Sie sind der Meinung, daß das Plasma der einzige Bewohner der Venus ist?“ rief ich. Dieses Bild warf mich durch seine Ungewöhnlichkeit geradezu um. – Tief im Innern des Planeten fließt eine trübe, schleimige Gallerte, unterhöhlt Kontinente, dringt an die Oberfläche, durchbohrt Berge. Der ganze Planet ist ihr Bett. Ein starres Netz von Kanälen und Rohren mit atmender, blinder Materie angefüllt, schafft Basen für Weltraumschiffe. Lebende Flüsse … Lao Tsu beugte sich über den Tisch.
„Damit wäre das Problem nicht gelöst. Meiner Meinung nach ist das Plasma nicht ,jemand‘ an sich, sondern dient ,jemandem‘. Mit anderen Worten, es ist eine Art ,Werkzeug‘, wie es für uns Hefe oder die Penizillinpilze sind.“
Es tat mir beinahe leid um das unheimlich-phantastische Bild, das die Annahme Oswatitschs in mir heraufbeschworen hatte.
„Besteht nicht die Möglichkeit, daß es eine hohe Intelligenz besitzt?“ begann ich. Doch der Chinese schüttelte den Kopf.
„Nein, das Plasma kann keine Intelligenz besitzen; denn es ist auf ein enges Spezialgebiet beschränkt. Es vermag nur das eine: Elektrizität zu erzeugen.“
„Vielleicht ist gerade dies ein Beweis für eine weit fortgeschrittene Entwicklung“, gab ich zu bedenken, „und die Intelligenz …“
„Das hat mit Intelligenz nichts zu tun“, erklärte der Chinese. „Halten Sie vielleicht die Sonne für intelligent, weil sie so sparsam mit der Atomenergie zu wirtschaften versteht? Intelligenz zeichnet sich nicht durch eine enge Spezialisierung aus, sie ist das genaue Gegenteil davon – eine universale Vielseitigkeit.“
„Ja aber, wo sind denn nun eigentlich die wirklichen Bewohner dieses Planeten?“ rief ich. „Warum sind wir ihnen bis jetzt nicht begegnet? Wo verbergen sie sich?“
„Ich befürchte … nirgends“, sagte der Chinese. Er stand auf, hüllte sich in
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