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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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die geringste Unregelmäßigkeit sofort dem Prädiktor melden.“
    In vier Meter Höhe zog sich eine Rille an der Wand entlang, aus der eine Reihe glänzender Trichter hervorlugte, deren Öffnungen der Schutzwand zugekehrt waren.
    „In diesem Fall sendet der Prädiktor den Befehl aus, die Zerfallsreaktion durch das automatische Einschieben der Kadmiumblenden in die Säule abzubremsen. Wenn es aber“ – der Ingenieur heftete seinen Blick auf den Jüngsten – „zu einer Beschädigung des Prädiktors käme, dann …“ Er trat an die Schutzwand. „Diese Klappe ist ein Durchgang. Von hier aus kann man zur Atomsäule gelangen.“
    „Was, zur Atomsäule? Das ist doch unmöglich!“
    Die Jungen glaubten zuerst, daß Soltyk scherze; doch er schüttelte den Kopf.
    „Nein. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber immerhin möglich, daß alle Fernsteuervorrichtungen versagen. In einem solchen Fall, wenn die Explosion der Säule droht, muß einer hier durch diesen Durchlaß gehen und selbst die Blenden der Kadmiummoderatoren in den Graphit schieben.“
    „Und wer muß das tun?“
    „Für die Sicherheit des Schiffes ist der Erste Ingenieur und Navigator verantwortlich. Er könnte jemanden bestimmen; aber er wird es nicht tun.“
    „Woher wissen Sie das?“
    Mit weitaufgerissenen Augen starrten die Jungen Soltyk an. Erst jetzt bemerkten sie, daß er sie durchaus nicht geringschätzig behandeln wollte. Er war nur sehr müde. Als sie in sein hageres, unbewegliches Gesicht blickten, wußten sie, wer zu der Atomsäule gehen würde, wenn es erforderlich wäre.
    „Dort hinein muß man gehen …“, sagte einer der Jungen. „Aber doch in einem Schutzanzug, in irgendeinem Skaphander …“
    Der Ingenieur schüttelte den Kopf. „Nein. Dort“, er wies mit der Hand in die Richtung der Atomsäule, „herrscht eine derartige Strahlungsdichte, daß keine Schutzkleidung etwas nützen würde. Im Verlaufe einer Minute nimmt man unweigerlich eine tödliche Dosis von Strahlen in sich auf.“
    Der kleinste der Jungen vergaß seinen Groll, den er gegen den Ingenieur hegte, und flüsterte: „Das heißt, daß Sie …“ Er verstummte. Nach einer Weile sagte er: „Das heißt, daß er sterben muß?“
    „Ja“, erwiderte der Ingenieur, „damit die anderen am Leben bleiben.“
Professor Chandrasekar
    Auf dem Rückweg führte der Ingenieur seine jungen Gäste das Unterdeck entlang. Über eine schmale Stiege gelangten sie in den dreieckigen Gang, wo sie an drei oder vier Türen vorbeikamen. Alle schwiegen, wie betäubt von der ungeheuren Vielfalt der Eindrücke.
    Der Gang, mit dem dunkelgrünen, schwammartigen Läufer bedeckt, dehnte sich im Schein der Leuchtröhren öde und still vor ihnen aus. Nicht der leiseste Laut drang herein.
    Nach fünfzig oder sechzig Schritten blieb der Ingenieur stehen und deutet auf eine Tür, die größer war als die anderen: „Hier befindet sich der ,Marax‘“, sagte er und drückte mit beiden Händen zugleich die übereinander angebrachten Klinken nieder. Sie traten in eine lichtüberflutete kreisrunde Kabine. Die Wände waren wie in einer Telefonzentrale von der Decke bis zum Fußboden herab voll Tausender Schalter und Stecker. Lange Reihen von Porzellanknöpfen funkelten in schachbrettartig angeordneten Feldern. An einigen Stellen waren die Verteilertafeln wie Türen geöffnet. In der Tiefe sah man in rubinrotem Lampenlicht das dunkle Gewirr der Leitungen.
    Inmitten der Kabine erhob sich ein rundes Pult mit einem engen Durchgang. Der Raum, den es umschloß, war so groß, daß zwei Personen darin Platz fanden. Neun schwarze Rohre wuchsen ringsherum aus dem Fußboden und reckten dem Pult ihre kegelförmigen Enden entgegen, die mit weißen Leuchtschirmen versehen waren. Die Leuchtröhre an der Decke des Raumes ließ den bernsteinfarbenen, glasigen Überzug des Pultes grünlich fluoreszieren. Die Stille, die hier herrschte, wurde durch das feine Summen der Ströme noch hervorgehoben.
    „Das, was ich euch jetzt gezeigt habe“, sagte der Ingenieur, „alle Kontrollapparate, Maschinen und Einrichtungen sollen uns in den Fällen dienen, die wir voraussehen können. Wir müssen aber damit rechnen, daß Dinge eintreten, von denen wir bis jetzt keine Vorstellung haben. Und dann kann das Schicksal der ganzen Expedition davon abhängen, wie rasch wir damit fertig werden. Deshalb wurde der Marax gebaut. Dieses Wort ist eine Abkürzung und bedeutet Machina Ratiocinatri X. Das dort sind die Übertragungsvorrichtungen. Das

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