Der Planet des Todes
Pult in der Mitte ist das Stellwerk, von dem aus der Marax seine Aufgaben erhält. Die Lösung liest man von den Leuchtschirmen ab.“
Die Jungen standen, zu einer kleinen Gruppe zusammengedrängt, an der Tür. Ihren Mienen war zu entnehmen, daß sie nicht begriffen, inwiefern dieses komplizierte Netz elektrischer Leitungen dazu dienen könnte, die Expedition vor einer unbekannten Gefahr zu bewahren.
„Ich würde euch gern noch etwas über den Marax erzählen“, sagte der Ingenieur, „aber meine Zeit ist leider zu Ende.“
„Wie arbeitet denn dieses Ding eigentlich?“
„Das läßt sich nicht mit ein paar knappen Worten erklären. Der Marax ist …. na, am einfachsten ließe er sich mit einer sehr vielseitigen Rechenmaschine vergleichen.“
Die Gesichter seiner Zuhörer drückten Verwunderung aus. Einige Jungen blickten sich von der Seite an; aber niemand meldete sich.
„Tja, wir müssen nun gehen“, sagte der Ingenieur. „Vielleicht erfahrt ihr ein anderes Mal mehr darüber.“
Alle hatten sich bereits der Tür zugewandt, als eine fremde Stimme ertönte.
„Einen Augenblick, Ingenieur.“ Sie sahen sich um. In dem Kabelgeflecht zwischen zwei Verteilertafeln tauchte eine Gestalt auf.
„Sie sind hier, Professor?“ sagte Soltyk verwundert. „Ich habe es nicht gewußt. Sonst hätte ich Sie gewiß nicht gestört „Aber wieso denn, es freut mich. Sie haben doch jetzt Kommissionssitzung, nicht wahr? Ich will Sie gern vertreten und unseren Gästen etwas über den Marax erzählen.“
Ein freudiges Murmeln ging durch das Häuflein Jungen. Der Ingenieur trat einen Schritt vor.
„Ich wäre Ihnen sehr dankbar, aber … Hört einmal her“, wandte er sich an seine Gäste. „Hier bietet sich eine ganz außergewöhnliche Gelegenheit – Professor Chandrasekar ist einer der Schöpfer des Marax. Auf eines muß ich euch aber noch aufmerksam machen: Versucht nicht etwa, euch zu verstecken, um mit uns zur Venus zu fliegen. Es waren bereits elf Schulausflüge hier, und einige Male mußten wir das ganze Schiff durchsuchen, um solch einen blinden Passagier aufzustöbern …“
Der Ingenieur sah die Jungen an und bemühte sich, eine strenge Miene aufzusetzen. Aber er mußte auf einmal lächeln. Kopfschüttelnd ging er hinaus. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, blieb es vorerst mäuschenstill. Die Jungen, eingeschüchtert von Soltyks Worten, rührten sich nicht vom Fleck. Der Professor gehörte zu den Teilnehmern der Expedition. Fast alle hatten den berühmten Mathematiker schon in der Wochenschau, bei Fernsehübertragungen oder auf Fotografien gesehen – und nun stand er hier vor ihnen …
Professor Chandrasekar war ein Mann von über vierzig Jahren. Die gebogene Nase gab seinem braunen, beinahe schwarzen, mageren Gesicht einen strengen Zug, den auch das lockige, an den Schläfen bereits ergraute Haar nicht milderte. Dieser erste Eindruck schwand jedoch, wenn man seinem Blick begegnete, der fast immer von den leicht zusammengekniffenen Lidern verschleiert war. Es war ein schwer zu beschreibender Blick; kindliche Lebhaftigkeit lag darin und eine Ruhe, die überwundener Ermüdung ähnelte, darüber hinaus Selbstsicherheit und ein so deutliches Lächeln, daß man es unwillkürlich auch um seinen Mund suchte.
Aber er lächelte nur mit den Augen. Und es war eigenartig: Jedem, den er anschaute, schien es, daß diese Augen hell seien, sehr hell sogar, und erst nach einer Weile bemerkte man, daß sie dunkel waren.
Chandrasekar kam auf die Jungen zu und sagte: „Der Ingenieur hat euch eine Enttäuschung bereitet, nicht wahr? Ihr habt erwartet, hier noch eine Atomsäule vorzufinden, irgendwelche unerhörten Atomkatapulte, und mußtet nun hören, daß unsere letzte Zuflucht eine ganz gewöhnliche Rechenmaschine ist. Wozu ein so unnötiger Ballast? Würde uns nicht ein Strahlenwerfer, der jedes Hindernis in Atome zerstäubt, viel bessere Dienste leisten?
Meine lieben Jungen, die Welt des fremden Planeten wird voller Rätsel sein. Was wäre das für eine Lösung, sie zu vernichten, wenn sie uns im Wege stehen? Wir wollen etwas viel Größeres und Schwierigeres vollbringen: Wir wollen sie begreifen und verstehen lernen. Verstehen erst bedeutet beherrschen. Und dabei hilft uns eben die Mathematik.
Erscheint euch das sonderbar? Überlegt einmal: Die Bewegung des Planeten, der Gestirne, der Atome, der Flug der Vögel, das Kreisen des Blutes, das Wachsen der Pflanzen, alles, was uns umgibt, das ganze Weltall
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