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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Sie uns vielleicht deshalb?“
    „Ich meide Sie?“
    „Aber selbstverständlich. Wenigstens taten Sie es vorhin, im Laboratorium.“ Er lächelte. „Lao Tsu und ich haben Sie zu unseren Besprechungen eingeladen; aber Sie kommen nicht. Außerdem stehen Sie auf und entfernen sich, kaum daß wir uns irgendwo in der Nähe hingesetzt haben. Ich habe es schon mehrmals bemerkt.“
    „Ich wollte nicht stören“, erwiderte ich rasch. „Was die Besprechungen anbelangt … ich bin der Ansicht, daß es keinen Sinn hat. Nur um dort zu sitzen … Ich könnte ja doch nur das sagen, was Ihnen schon längst bekannt ist. Ich bin Pilot und …“
    „Zum Teufel mit Ihrem Piloten!“ rief Arsenjew, und seine Augen blitzten zornig. „Hier Pilot und hier Wissenschaftler, was? Sie glauben wohl, wir hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen? Bücher … Formeln … Mathematik Er lachte ärgerlich auf.
    „So habe ich es nicht gemeint“, beschwichtigte ich ihn. „Als ich sechs Jahre alt war, kam einmal ein berühmter Flieger in unser Haus, der auf seinem Flug Kanada – Nordpol – Australien in Pjatigorsk zwischengelandet war. Vater brachte ihn im Auto zu uns. Er blieb zum Abendessen, übernachtete und flog am nächsten Morgen weiter. Ich sehe ihn noch wie heute an unserem Tisch sitzen. Er saß mir gegenüber und trank den Tee nach russischer Art aus der Untertasse; denn der Tee, den meine Mutter brühte, war sehr heiß und stark … Er schlürfte ihn bedächtig und sprach kein Wort dabei. Ich ließ ihn nicht eine Sekunde aus den Augen, ich beobachtete ihn wie – womit soll ich es vergleichen, vielleicht so: wie ein Astronom eine Sonnenfinsternis beobachtet, die sich nur alle tausend Jahre ereignet, und bemühte mich, sein Geheimnis zu ergründen. Er war ein ruhiger, ziemlich behäbiger Mann mittleren Alters, er bewegte sich ganz normal, er aß genauso wie alle anderen Leute, dankte, wenn ihm die Schüssel gereicht wurde, aber das war ja alles nicht das Wirkliche an ihm. Wirklichkeit war sein vielstündiger Flug um die Welt, die Einsamkeit in der Kabine des Raketenflugzeuges, die Wolken in der Tiefe und hoch über ihm die Sterne. Es war mir damals, als könnte er jeden Augenblick aus unserer Mitte auf und davon fliegen, verschwinden … denn er war für mich ein Gast aus einer anderen Welt, und das, was ich an ihm zu bemerken vermochte … daß er lächelte und einen Goldzahn hatte, das war eben unwesentlich, unwirklich, und das, was wirklich war, konnte man nicht wahrnehmen. – Ich wiederhole Ihnen, so gut ich es kann, die Gedanken eines sechsjährigen Jungen. Und die Wissenschaft – um auf unser Gespräch zurückzukommen – ist meiner Meinung nach ein Beruf, der sich von allen anderen grundsätzlich unterscheidet. Sie sind ständig mit ihm verbunden, und wenn Sie mit einem von uns zusammen sind, solchen Uneingeweihten wie ich, dann ist es, als hätten Sie nur für eine Weile Ihre Welt verlassen. Ich weiß aber, daß Sie jeden Augenblick dorthin zurückkehren können. Sie haben sie immer, diese, Ihre Welt, während ich …“
    „Während Sie Ihre Welt auf der Erde zurückgelassen haben“, unterbrach mich Arsenjew. „Nicht wahr, das wollten Sie doch sagen?“ Er packte mich bei den Schultern und schüttelte mich heftig. Aber ich empfand es wie eine Erleichterung.
    „Nach Ihrer Meinung setzt sich also jeder Gelehrte aus zwei Teilen zusammen: dem sichtbaren, der ißt, schläft und mit den ,Uneingeweihten‘ spricht, und dem wichtigeren, unsichtbaren, der in der Welt der Wissenschaft lebt. – Unsinn! Unsinn, sage ich! Die Welt eines jeden Menschen ist dort, wo er lebt und arbeitet. Ihre Welt und auch die meine ist augenblicklich hier, dreißig Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Freilich, die Wissenschaft ist mein Beruf. Ich habe sie liebgewonnen, mehr noch: Sie ist meine Leidenschaft. Es stimmt, daß ich manchmal von mathematischen Formeln träume –; aber weshalb sollten Sie nicht ebensogut von Steuerknüppel und Höhenmesser träumen dürfen? Wir haben zwar verschiedene Berufe, jedoch in der gleichen Welt. Ich glaube, daß wir zuviel von außergewöhnlichen Leistungen gesprochen haben und zuwenig von den Menschen, die sie vollbringen. Deshalb werde ich das Programm für heute abend ändern – zu Ihren Gunsten und auch zu unseren.“
    Am Nachmittag ging ich im Korridor spazieren. Um vier Uhr würde ich Soltyk ablösen und den Navigationsdienst übernehmen. Bis dahin hatte ich Zeit. Ich kam zu der Feststellung,

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