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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hier und da von etwas helleren Flecken unterbrochen wurde. Ungefähr siebzig Meter hinter dem Schwanz des Flugzeuges begann der „Tote Wald“. Die Schwelle, die ihn gegen die Ebene abgrenzte, war so hoch, daß nur die wirren, im zurückgeworfenen Licht blitzenden „Baumkronen“ darüber hinausragten. Ich sprang auf den Boden. Er war hart und fest. Ich stampfte mit dem eisenbeschlagenen Absatz auf, es zeigte sich nicht die geringste Spur. Trotzdem war der Boden ganz und gar nicht einem nackten Felsen ähnlich. Ich wandte dem Toten Wald den Rücken zu. Über die Tragfläche des Flugzeuges hinweg sah ich nur die endlosen, ermüdend gleichförmigen, niedrigen Geländefalten der Ebene. Am Horizont erhoben sich aus gelblichem Nebeldunst die Umrisse von Bergen.
    Ich schaute wieder auf den Boden, nahm ein Taschenmesser aus der Kombination und schlug mit der Schneide gegen die geheimnisvolle Substanz. Einige Male sprang die Klinge ab. Dann aber fand ich eine Stelle, an der die Oberfläche mit kleinen Löchern, wie ein geglätteter versteinerter Schwamm, bedeckt war. Es gelang mir, ein ziemlich großes Stück herauszubrechen. Ich nahm es in die Hand. Es war hellbraun und leicht, leicht wie Bakelit.
    Bakelit! Wie sehr bedauerte ich, daß ich allein war! In dem Augenblick dachte ich nicht mehr an die verlorene Verbindung, auch nicht daran, was nach einigen Stunden aus mir selbst werden würde. Ich hätte nur deshalb gern einen meiner Gefährten bei mir gehabt, um mit ihm diese unerhörte Entdeckung teilen zu können. Ich betrachtete noch einmal die eigentümliche braune Landschaft, nun aber mit anderen Augen als vorher. Etwas Beunruhigendes lag in ihr, etwas, was ich vorher gar nicht bemerkt hatte. Sie erinnerte – ja, womit konnte man sie eigentlich vergleichen? Auf einmal wußte ich es: Die ganze Gegend sah unwirklich, unnatürlich, wie eine riesige Theaterdekoration aus. Und das war es, was mich beunruhigte: die ungeheuren Ausmaße dieser starren, toten Landschaft, diese Hunderte Quadratkilometer von Bakelit oder was es sonst sein mochte – irgendeine künstliche, plastische Masse, die auf der Erde als Material für Telefone und Füllfederhalter dient! In dieser Vorstellung lag etwas Groteskes und zugleich Unheimliches.
    Ich stand noch immer bei dem Flugzeug und wußte nicht, was ich tun sollte. Dann ging ich einige Dutzend Schritte auf den Toten Wald zu und – lief rasch wieder zurück, ohne jeden Grund; denn ich hatte ja im Skaphander ein Radiogerät, so daß ich die Signale der Rakete, falls sie sich melden sollte, hören konnte … aber … ich lief dennoch zurück. Es war nicht einmal Furcht, was mich dazu veranlaßte, sondern das Gefühl der Fremdheit, das mich plötzlich mit aller Macht gepackt hatte. Fremd war dieser tief herabhängende, weiße Himmel, der trotz der Wolken einen ungeheuer starken Glanz ausstrahlte, fremd die Stille der Luft, fremd die flachgebuckelte Ebene, auf deren Boden die Stiefeltritte ein sonderbar trockenes, hartes Poltern hervorriefen …
    Ich setzte mich auf die Tragfläche. Ich drehte das Messer in der Hand hin und her und blickte zu dem nahen Rand der Ebene hinüber, die vor dem Toten Wald so jäh endete. Ich überlegte. Wenn es mir in den nächsten achtundzwanzig Stunden nicht gelingt, mich mit meinen Gefährten wiederzuvereinigen, so hatte ich keine Luft mehr zum Atmen. – Gut, wenn es soweit ist, dann kann ich noch immer darüber nachdenken, was zu tun ist. Vorderhand besitze ich noch Sauerstoff, Lebensmittel und das Flugzeug. Was soll ich also tun? Das, was meine Pflicht ist: die Bodenverhältnisse untersuchen. Was aber dann, wenn die Rakete erscheint, und ich befinde mich gerade weit entfernt vom Flugzeug? Bevor ich es erreiche, verschwindet sie sicher wieder in den Wolken und mit ihr womöglich die letzte Aussicht auf Rettung. Soll ich also auf der Tragfläche des Flugzeuges sitzen bleiben und auf „Erlösung“ warten? Mein Chef im Zentralen Luftfahrtdienst hatte eine Lieblingsfrage, die er gewöhnlich den Neulingen stellte: Was hat ein Pilot zu tun, falls er zur Notlandung in einer Einöde oder in den Bergen gezwungen ist? – Alles, was nur irgend möglich ist, mußte die Antwort lauten. – Und wenn das nicht genügt? – Dann das, was unmöglich ist! – Mag sein, daß dies etwas grobschlächtig und naiv klingt; aber einer meiner Kollegen, der mit seinem Postflugzeug Bruch gemacht hatte, entging dem Flugsand der Wüste nach einem fünftägigen Marsch, währenddessen er

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