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Der Poet der kleinen Dinge

Der Poet der kleinen Dinge

Titel: Der Poet der kleinen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Sabine Roger
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gebrüllt: »O Mann, das ist ja ’ne Tussi!«
    Da hat das Frettchen Roswell plötzlich losgelassen, als hätte es einen Stromschlag abgekriegt, und sich zu mir umgedreht.
    Mir brummte der Schädel, mein rechtes Auge schwoll langsam zu, ich konnte kaum noch was sehen.
    Ich zog mein T-Shirt wieder runter. Viel Busen ist da nicht, aber anscheinend genug. Der Große hat angefangen zu lachen, während er mir einen Arm auf den Rücken drehte, um mich am Abhauen zu hindern. Der Kleine kam näher, mit seinem lächerlichen Cowboygang, den ich jetzt gar nicht mehr witzig fand. Er zog ein Springmesser aus der Hosentasche.
    »Da werden wir jetzt aber eine Menge Spaß zusammen haben, Schlampe«, hat er gesagt.
    Roswell versuchte sich aufzurichten, aber ich wusste, dass das unmöglich war.
    Er musste verrückt vor Angst sein, und merkwürdigerweise machte ich mir mehr Sorgen um ihn als um mich.
    Der Große hat sich von hinten an mich gepresst, und ich habe eine spitze Klinge an meinem Hals gespürt, dicht unterm Kiefer. Eine Bewegung zu viel, und er würde mich abstechen. Mit der freien Hand hat er mein T-Shirt hochgeschoben und mechanisch an meiner Brust rumgefummelt, wobei er sagte, ich wäre scharf und er wäre voll geil auf mich. Inzwischen knöpfte der andere seine Jeans auf, in aller Ruhe, mit der linken Hand, ohne mit der anderen sein Messer loszulassen.
    Ich habe gedacht: Jetzt ist es also so weit.
    Dann hörte ich einen dumpfen Knall. Der Große hat einen tiefen Seufzer ausgestoßen und mich mit sich nach hinten gerissen. Ich habe gedacht, er wollte mich zu Boden werfen, damit es losgehen konnte, aber nein, er war einfach umgefallen. Wie ein Sack.
    Der andere hat mit einem megadämlichen Ausdruck zugeguckt, wie er stürzte. Dann flog etwas durch mein Blickfeld sehr schnell auf ihn zu. Er hat aufgestöhnt, wollte sich an den Kopf fassen und ist ebenfalls zusammengebrochen.
    Ich habe mich aus den Fängen des Großen befreit, bin aufgesprungen und habe mich umgedreht.

 
    D er Dicke, ein Sixpack Kronenbourg zu seinen Füßen, hielt noch eine Dose in der Hand. Er hat sich zu dem anderen umgedreht, der Cédric heißt: »Ha! Da siehst du mal, wofür Zielgenauigkeit gut ist!«
    »Okay, ich muss zugeben … Allerdings schätze ich mal, dass die beiden jetzt tot sind.«
    »Na und? Wir werfen sie in den Kanal, die werden niemandem fehlen.«
    Cédric hat den Kopf geschüttelt. »Das war echt heftig! Eine Bierdose voll in die Fresse, das ist schon was!«
    »Vor allem, wenn sie voll ist«, hat der Dicke seelenruhig zugestimmt. »Die Dosen muss ich mir wieder zurückholen, ich hoffe, sie haben nicht zu sehr gelitten.«
    In dem Moment hat der Große gestöhnt und sich bewegt. Der Kumpel von Cédric ist gemächlich rübergekommen und hat dem Cowboy, der noch völlig weggetreten war, sein Messer abgenommen. Dann hat er sich mit erstaunlicher Geschmeidigkeit auf den Großen gesetzt, der »Autsch!« gemacht hat.
    Der Dicke bringt sicher über hundertzwanzig Kilo auf die Waage.
    Er hat dem Kerl, der sich weder bewegen noch atmen konnte, die Messerspitze knapp unters Auge gehalten und mit sanfter Stimme gefragt: »Wir verstehen uns, nicht wahr?«
    Der andere hat genickt, aber nur ganz leicht und vorsichtig.
    »Dann wirst du das auch deinem Kumpel erklären können, okay?«
    »Okay!«, hat der andere mit seiner letzten Luft gehaucht.
    Der Dicke ist aufgestanden und hat gesagt: »Verpiss dich!«
    Der Große hat sich aufgerappelt, eine Hand am Schädel, dann ist er seinen Kumpel aufsammeln gegangen, der offensichtlich eine geplatzte Augenbraue hatte. Er kam gerade erst wieder zu sich, hat aber trotzdem angefangen, den Dicken als gottverdammte Schwuchtel zu beschimpfen, und von ihm verlangt, er solle ihm sein Messer zurückgeben.
    Der Dicke hat eine Dose in seiner Hand hüpfen lassen und ihn wortlos fixiert, die Augen halb geschlossen. Es ging zu wie im Western.
    Darauf haben sich die beiden Weicheier sang- und klanglos aus dem Staub gemacht, ohne sich noch etwas anderes zu trauen, als uns ihre Mittelfinger zu zeigen.
    Das waren Möchtegern-Rambos. Da habe ich echt schon Schlimmere getroffen.
    Als er wieder an mir vorbeikam, hat der Dicke leicht verlegen gelächelt und mit einer überraschend sanften Stimme gesagt: »Ich heiße Olivier.«
    »Ich bin Alex.«
    »Unn-ich binn Schhérard!«, hat Gérard gesagt, immer noch bäuchlings im Gras liegend, drei Meter weiter, mit dem Kopf in die andere Richtung.
    Wir sind zu ihm gerannt. Er lag da wie

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