Der Poet der kleinen Dinge
erzählt, aber nicht so viel. Er hat durchblicken lassen, dass es da nichts Interessantes gibt. Dann haben wir geschwiegen.
Der Zackenbarsch hatte sich an seinen Stammplatz gesetzt, ein paar Meter entfernt. Er erklärte Roswell sein Staudammprojekt und kippte dabei ein paar Bierchen.
Er zeigte ihm, wie er die Dosen mit Kanalwasser volllaufen ließ, bevor er sie warf, weil sie sonst zu leicht wären und schwimmen würden. Er erzählte ihm von seiner Technik und der Zielsicherheit, für die immer Windstärke und -richtung berücksichtigt werden müssten. Ein Schnellkurs in Ballistik.
Roswell sagte alle zwei Minuten »Sssuper!«, und jedes Mal, wenn der Zackenbarsch eine Dose in den Kanal warf, lachte er los und klatschte mit der rechten Hand auf den linken Unterarm. Schließlich hat der Zackenbarsch ihm angeboten, es auch mal zu probieren. Roswell hat angefangen, vor Freude zu wiehern.
Er sagte immer wieder: »Ichh schaff dasss nichh!«
»Warum solltest du das nicht schaffen?«, hat Olivier erwidert.
»Weill ichh nichhsss kann!«
»Ich kann auch nichts, und das hat mich nie davon abgehalten!«
Der Zackenbarsch hat Roswell eine mit Wasser gefüllte Dose in die Hand gedrückt und seine Finger drum herum geschlossen, was nicht einfach war. Dann hat er ihn die Bewegung ganz langsam ausführen lassen, wobei er ihn sanft am Arm hielt.
»Du schwingst deinen Arm vor, ja, so, aber fester. Kannst du das nicht ein bisschen fester? Ah, siehst du, wenn du nur willst … Und dann, wenn du ganz vorne bist, zack, dann lässt du los. Kinderleicht!«
»Isses sso richhich?«
»Ja, nicht schlecht. Aber wenn du loslassen willst, machst du besser die Finger auf, okay?«
Cédric hat mich angeschaut und gelacht: »O Mann, da hat er sich ja was vorgenommen!«
»Das kann man laut sagen! Es kommt aber auch selten vor, dass sich einer für ihn interessiert.«
»Für den Zackenbarsch, meinst du?«
»Nein, für Ros… für Gérard.«
»Ach so. Für den Zackenbarsch aber auch nicht, wenn du’s genau wissen willst.«
In dem Moment hat der Zackenbarsch angefangen, wie ein Trainer zu brüllen: »Schwing deinen Arm nach vorne! Nach vorne! Komm-komm-komm-komm-KOMM! Und jetzt lass los, verdammt! LASS LOOOOOS!«
Roswell hat sich die Hälfte des Wassers über die Knie gekippt, aber durch irgendein Wunder ist es ihm dann plötzlich gelungen, seine Finger aufzumachen, und die Dose ist dreißig Zentimeter vor seinen Füßen im Gras gelandet. Dann ist sie langsam den Hang hinuntergerollt und mit einem diskreten kleinen Platsch ins Wasser gefallen.
»Cool!«, hat der Zackenbarsch gemeint.
Cédric hat Beifall geklatscht.
Roswell hat seine Siegesarie angestimmt.
Und das ist etwas, das man mindestens ein Mal im Leben gehört haben muss.
Federngeraschel
I n derselben Woche habe ich mich mit meinem Vater gezofft, der nur noch eins will: dass ich mit eigenen Flügeln fliege, und zwar in einem anderen Luftkorridor als seinem. Ich habe mal wieder zwei Bewerbungsgespräche kläglich in den Sand gesetzt – es ging um Jobs, die ich nicht hätte haben wollen, die mir aber doch aus der Patsche geholfen und mir die Demütigung erspart hätten, sie nicht gekriegt zu haben – und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich alles in allem ein Scheißleben und eine aussichtslose Zukunft habe.
Und dann habe ich auch noch von meinem Bruder erfahren, dass Lola, meine Lola, schwanger ist.
Das hat mir einen Dolchstoß zwischen Leber, Herz und Selbstachtung versetzt, einer hochschmerzempfindlichen Stelle.
Ich kann es einfach nicht fassen.
Wir hatten Millionen Mal darüber gesprochen, sie und ich, über dieses Baby, das wir zusammen haben würden. Wir machten nur Spaß, klar, aber wir dachten uns trotzdem Vornamen aus. Wir stellten uns vor, wie wir Vater-Mutter-Kind spielten, und fanden es bescheuert und albern, aber es gab uns doch an manchen Tagen einen zusätzlichen Kick, wenn wir uns liebten.
Mir vorzustellen, dass sie ein Baby im Bauch hat, dessen Gene zur Hälfte von einem dämlichen Spießer stammen, das gibt mir den Rest. Und vor allem ist es das Todesurteil für sämtliche Träume. Mit Lola und mir ist es aus und vorbei. Schluss, Ende.
Das Leben hat mir den deutlichsten Beweis geliefert. Als hätte ich es darum gebeten.
Ich habe versucht, mit dem Zackenbarsch zu reden, aber na ja, bei seiner Lebensphilosophie …
Er hat gerade mal eine Augenbraue gehoben, während er im Lager des Ladens seines Vaters weiter Kartons mit koreanischen Verstärkern
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