Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
leider nicht, um die Zeit bin ich längst nicht mehr hier, sondern in Rombolina.»
«Das passt ja wunderbar. Er hat mich zu sich nach Hause eingeladen, in Rombolina.»
Roberto konzentrierte sich. Jetzt nicht aufregen. Ganz ruhig bleiben. «Gut. Dann komm vorher bei mir vorbei, und wir gehen zusammen rüber.»
Franco strahlte wie eine Sonnenblume, nickte hektisch, winkte zum Abschied und stimmte ein Lied an, das Roberto bekannt vorkam. Ein Ohrwurm, den er schon oft gehört hatte, dessen Titel ihm aber auf Teufel komm raus nicht einfallen wollte. Trotzdem blieb die Melodie in seinem Kopf kleben und drehte dort monotone Runden. Cazzo .
«Kommt denn Sergio überhaupt noch als Täter in Frage?», sinnierte Roberto laut, während er sich eine Olive in den Mund schob. «Die Täterbeschreibungen von Franco und Malpomena passen nicht auf ihn, und bei dem Mann mit den weißen Handschuhen auf dem Grundbuchamt handelte es sich ebenfalls nicht um Sergio.»
Toto stand hinter der Theke an seine Espressomaschine gelehnt und las mit betonter Gleichgültigkeit in der neuesten Ausgabe des Wire-Magazins. Natürlich die amerikanische Originalausgabe. Er war Zeuge gewesen, wie Roberto mit notaio Stefano Papalardo telefoniert und ihn gefragt hatte, ob er eine Beteiligung der Firma an den Morden für möglich hielt. Weil der Akku von Robertos Handy leer war, hatte Toto ihm sein Smartphone geliehen und behauptet, der Lautsprecher ließe sich nicht ausschalten.
«Vielleicht», hatte der notaio gesagt, «aber wie willst du denen etwas nachweisen? Wenn die jemanden beauftragen, Druck auf die Landbesitzer zu machen, werden sie das nicht mit einem unterschriebenen Brief tun, den sie brav in ihrer Ablage abheften. Verstehst du? Und selbst wenn: Für einen Durchsuchungsbefehl musst du etwas gegen sie in der Hand haben, Indizien, Beweise. Und selbst wenn du den Täter erwischst, wird der nicht wissen, wer ihn beauftragt hat. Oder wenn er es weiß, wird er nicht reden. Wir sind in Italien, Roberto. Hier gilt die Omertà.»
«Du meinst, wir haben es mit der Mafia zu tun?»
«Ich meine gar nichts», hatte Papalardo geantwortet. «Denk nach. Ein Hundert-Millionen-Euro-Projekt. Im Sektor erneuerbare Energien. Das große Thema in der EU. Mit dicken Subventionstöpfen.»
Roberto schob sich eine weitere Olive in den Mund und spülte mit etwas Pecorino nach. «Ich hätte nie gedacht, dass ein paar Windräder so viel Geld kosten. Woher kommen diese hundert Millionen überhaupt?»
Toto versuchte sich zu beherrschen, aber sein Gesicht schrie förmlich: Frag mich!
«Wahrscheinlich ist es unmöglich, da etwas herauszubekommen», sagte Roberto scheinheilig und schob einen Geldschein über die Theke.
Toto wühlte in seiner Hosentasche nach Wechselgeld. Wie immer tippte er den Betrag nicht in die Registrierkasse ein, so sparte er Umsatz- und Einkommenssteuer. Zwar nur jeweils winzige Beträge, aber über die Jahre war da sicherlich einiges zusammengekommen.
Roberto rutschte von dem Barhocker herunter. «Ich habe neulich von einem Fall gehört, da hat einer bei der EU in Brüssel eine Anfrage eingereicht, und rate mal, wann er eine Antwort gekriegt hat.»
Toto tat so, als wäre dies eines der letzten Themen auf dieser Welt, die ihn interessierten.
«Nach neun Monaten.» Roberto zog den Reißverschluss seiner Daunenjacke bis unters Kinn. «Deprimierend. Wir, die kleinen Leute, wir zählen nicht. A dopo , Toto.» Er griff noch schnell über die Theke und stöpselte sein Handy von Totos Universalladegerät ab. Voll war der Akku nicht, aber für die nötigsten Gespräche würde es reichen.
Er verließ die Bar mit einer Hand in der Hosentasche mit der Friedhofserde, doch diesmal rief ihm Toto nichts hinterher. Überhaupt kein Geräusch machte er, und Roberto hätte geschworen, dass er sogar das Atmen eingestellt hatte. Draußen bog er um die Ecke, verharrte einen Moment, schlich noch einmal zurück und lugte in die Bar hinein. Wie er erwartet hatte, hämmerte Toto schon mit irrwitzig schnellen Fingern auf sein Notebook ein. Lächelnd machte er sich auf den Weg in die Wache, eigentlich nur um endlich den Rest der salsiccia piccante gegen die kleine MagLite auszutauschen. Noch einmal wollte er nicht in einem wichtigen Moment im Dunkeln stehen. Und die Wurst, da hatte er sich mittlerweile entschieden, würde er an Osvaldos Hunde verfüttern. Sie war einfach zu salzig, zu hart und zu trocken.
Mit großen Schritten passierte Roberto Nevio Cottellis Büro,
Weitere Kostenlose Bücher