Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
dessen Tür unüblicherweise weit offen stand, obwohl der maresciallo capo an seinem Schreibtisch saß. Noch ungewöhnlicher war, dass Cottelli ihn zwar sah, aber nicht hereinzitierte. Was war da los? Roberto kehrte noch einmal um und steckte seinen Kopf durch die Tür.
«Bist du krank, Cottelli?»
Cottelli sah ihn an wie einen Geist. «Dein Dienstplan ist fertig, Roberto.»
«Ich arbeite immer noch für Galdroni», entgegnete Roberto.
«Ach ja, richtig, ja, ja.» Cottelli strich sich mit beiden Händen über die Augen.
«Haben eure Zwergpudel Durchfall, oder was ist los?»
Cottelli legte seine Hände flach vor sich auf den Schreibtisch, wie früher in der Schule, wenn die Maestra Signora Carboni kontrollierte, ob sie Dreck unter den Fingernägeln hatten. «Maria will mich verlassen.»
Was für eine Freude, wollte Roberto sagen, merkte aber, dass sein Gefühl ein ganz anderes war: Cottelli tat ihm leid. «Warum?»
«Warum?», wiederholte Cottelli.
«Warum, ja!», pflaumte er zurück. Bloß nicht zu viel Mitleid haben.
«Sie …», Cottelli schluckte schwer und warf Roberto einen Cockerspaniel-Blick zu.
«Sie was?»
Cottelli schien jetzt erst zu kapieren, mit wem er da redete. «Rapport, Rossi, und zwar sofort», sagte er matt.
«Cottelli, Cottelli, du lässt wirklich jede Gelegenheit vorüberziehen, dich ausnahmsweise mal als Mensch zu zeigen.»
«Was soll das denn?» Cottellis Stimme nahm an Schärfe zu. «Noch bin ich dein –»
« Dio Santo! Stolto tu! Spar dir deine Drohungen, bis ich wieder im Dienst bin. Dann kannst du dich wieder austoben und mich drangsalieren.» Gegen Cottellis lautstarken Protest zog er einfach die Tür zu, verließ allerdings schleunigst ohne seine MagLite die Wache. Wer wusste schon, wozu der maresciallo capo in seinem Zustand fähig war. Und das Letzte, was er jetzt brauchen konnte, war eine Verzögerung. Er hatte Hunger, wollte in Ruhe sein pranzo einnehmen. Und ein wenig nachdenken.
Erst als er die halbe Piazza überquert hatte, zündete bei ihm der Funke, was Maria Corbucci betraf. War der Grund für ihre plötzliche Freundlichkeit ihm gegenüber, dass sie Cottelli den Laufpass gegeben hatte und sich jetzt wieder an ihn heranmachen wollte?
Er holte sein Handy hervor, um Lana Ferrea anzurufen. Es war höchste Zeit, sich wieder einmal die Karten legen zu lassen, doch bevor er ihre Nummer aus dem Speicher holen konnte, klingelte das Handy.
«Wo bist du?», fragte Toto mit so viel Triumph in der Stimme, dass er kaum in der Lage war zu sprechen.
«Auf der Piazza. Am Brunnen.»
«Willst du was über die Firma Toggi hören?»
«Ich muss was essen», tat Roberto gleichgültig.
«Du kannst hier bei mir was essen.»
«Ich meine was Richtiges. Antipasto, primo, braciola, formaggio, dolce .»
«Du wirst ausflippen, ich verspreche es dir.»
«Später vielleicht.»
Schweigen. Dann Toto mit einer Stimme wie aus der Tiefe einer Gruft im Mausoleo dei Duchi: «Wo gehst du essen?»
«La Cerqua.»
«Okay, ich schließe die Bar für eine halbe Stunde und komme dahin.»
Roberto war sprachlos. Toto schloss seine Bar nie. Nicht mal zu Weihnachten. Außer wenn er so krank war, dass er seinen spindeldürren Körper nicht mehr in die Vertikale bringen konnte. «Dann bring das Handyladegerät mit, va bene ?»
Roberto hatte gerade sein primo piatto serviert bekommen, strozzapreti al cartoccio in einer Tomaten-Sahne-Sauce mit verschiedenen Pilzen, peperoncino und Salbei, als Toto hereingestürzt kam.
«Ich musste noch eine Touristengruppe abfertigen», stieß er hervor und schnupperte. «Das riecht gut.»
Roberto winkte dem padrone zu. «Noch einen Teller, Umberto.»
Toto setzte sich ganz nah neben Roberto, was der etwas merkwürdig fand.
«Toggi s.r.l.», legte Toto ohne Umschweife im Flüsterton los, «ist eine Firma aus San Benedetto del Tronto, die sich laut ihrer Selbstdarstellung auf erneuerbare Energien spezialisiert hat, Solaranlagen und Windräder. Die Besitzer sind zwei Brüder, Emanuele und Fosco Santi.»
Roberto tat ein paar Löffel strozzapreti auf den zweiten Teller, und Toto fing sofort an, die Nudeln in sich hineinzuschaufeln. Roberto hatte den barista immer schon im Verdacht, aus reinem Geiz zu wenig zu essen und deshalb chronisch unterernährt zu sein; sobald sich aber eine gute Gelegenheit bot, stopfte Toto in sich hinein, was er kriegen konnte.
«Der Windpark ist tatsächlich ein Hundert-Millionen-Geschäft. Aber», Toto rückte noch näher heran, «jetzt
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