Der Polizistenmörder
überlegte. Neben sich hörte er Guns ruhige Atemzüge und hin und wieder einen U-Bahn-Zug, der mit hoher Geschwindigkeit in die Station einfuhr, bremste, hielt und dann langsam wieder anfuhr. So hatte er das letzte Jahr über viele Nächte wachgelegen und das gleiche Problem gewälzt, aber in dieser Nacht fühlte er, daß er endgültig genug hatte.
Gegen drei Uhr ging er hinaus in die Küche und nahm sich ein Bier und ein Butterbrot, und gleich danach erschien Gun auf Zehenspitzen und leistete ihm Gesellschaft. Dann gingen sie beide wieder ins Bett, und er erzählte ihr von seinem Entschluß. Für Gun kam er nicht überraschend; sie hatten diese Angelegenheit viele Male durchgesprochen, und sie hatte seine Pläne aus vollem Herzen und immer energischer unterstützt. Seit er aus Skäne zurückgekommen war, hatte er rastlos und verbissen gewirkt, und sie ahnte, daß er bald zu einer Entscheidung kommen würde.
Sie unterhielten sich zwei Stunden lang, dann schliefen sie miteinander, und nach einer Weile schlummerte Gun in seinen Armen ein.
Als Bodil und Joakim aufwachten, machte er ihnen Frühstück, und als sie gegessen hatten, schickte er sie zurück ins Kinderzimmer und versuchte, sie dazu zu bringen, ihre Mutter schlafen zu lassen. Nun war es beileibe nicht so, daß sie ihm gehorchten, sie taten im allgemeinen nur das, was Gun ihnen sagte, aber er hoffte, sie würden sie zumindest noch ein Weilchen in Frieden lassen.
Er wurde mit zwei klebrigen Küssen verabschiedet und fuhr ins Büro.
Als er durch den Flur zu seinem Arbeitszimmer ging und dabei an Martin Becks leerem Büro vorbeikam, dachte er, wie schon so viele Male, daß die Zusammenarbeit mit ihm das einzige sei, was er wirklich vermissen würde.
Er hängte die Jacke über die Rückenlehne seines Stuhles, setzte sich und stellte die Schreibmaschine vor sich hin. Dann spannte er ein Blatt Papier ein und schrieb:
Stockholm, den 27. November 1973. An die Reichspolizeileitung Entlassungsgesuch Er stützte das Kinn auf die Hand und starrte aus dem Fenster. Wie jeden Tag um diese Zeit war die Schnellstraße voll von Autos, die in drei Reihen nebeneinander ins Zentrum rollten. Kollberg betrachtete den offensichtlich unendlichen Strom blitzblanker Personenwagen und dachte dabei, daß es wahrscheinlich kein anderes Land gab, in dem die Autobesitzer sich so intensiv mit ihren Wagen beschäftigten wie in Schweden. Das war ein ständiges Putzen und Waschen, und eine Schramme im Lack oder eine Beule in der Karosserie wurde als katastrophales Unglück angesehen und unmittelbar repariert. Das Auto war ein wichtiges Statussymbol, und um den allgemeinen Ansprüchen zu genügen, gaben viele Leute unnötigerweise regelmäßig ihre Wagen gegen das neueste Modell in Zahlung, obwohl sie sich das eigentlich nicht leisten konnten.
Plötzlich fiel ihm etwas ein; er zog das Papier aus der Maschine, riß es in kleine Stücke, die er in den Papierkorb fallen ließ, zwängte sich in die Jacke und ging schnellen Schrittes hinaus zum Fahrstuhl. Drückte den Knopf für die Garage, in der sein Wagen stand, der sieben Jahre alt, verbeult und voller Lehmspritzer aus Skäne war, entschied sich jedoch anders und stoppte den Fahrstuhl im Erdgeschoß.
Es war nicht weit zum Midsommarkransen, und wenn er am Tag vorher nicht in der Kungsholmsgatan gewesen wäre, hätte er den Schauplatz des gestrigen Mißerfolges beinahe von seinem Fenster aus sehen können.
Er stand auf dem Parkplatz hinter dem Haus, in dem Maggan wohnte. Ein beigefarbener Volvo mit einer anderen Nummer als der, die Skacke und der Tankwart in Katrineholm angegeben hatten. Die Schilder waren von der alten Sorte, solche, die man ohne Schwierigkeiten selbst anfertigen konnte, aber Kollberg zweifelte nicht daran, daß er das richtige Auto vor sich hatte. Er schrieb sich die Nummer auf und kehrte zum Polizeigebäude zurück.
Als er wieder an seinem Schreibtisch saß, schob er die Schreibmaschine zur Seite und zog das Telefon zu sich heran.
Vorn zentralen Kfz-Register bekam er schnell Auskunft: Die Nummer kam im Register nicht vor und war auch niemals zugeteilt worden. Sie hatte nämlich die Bezeichnung AB für Stockholm Stadt, und dort hatte man die hohe Zahl, die die nachfolgende Zahlenkombination ergab, noch nicht erreicht. Soweit würde man übrigens auch nie mehr kommen, denn allen neuen Wagen in Stockholm waren bereits die neuen, nicht regional gebundenen Nummern zugeteilt worden. »Danke«, sagte Kollberg leicht
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