Der Portwein-Erbe
von Mensch«, übersetzte ihr Mann.
|251| »Haben Sie wirklich eine andere Arbeit?«, fragte Nicolas.
Pacheca schüttelte den Kopf.
»Würden Sie wieder auf der Quinta arbeiten?« Nicolas war sich sicher, dass Pacheca am liebsten Ja sagen würde, aber er wollte
wissen, mit welcher Begründung Pacheca das Angebot ablehnen würde.
»Das geht nicht, dann muss ich die Abfindung zurückzahlen.«
»Wer hat das gesagt?«
»Ich glaube, das ist vom Gesetz geregelt.« Pacheca sah zu Boden. »Nein, Gonçalves hat es gesagt«, verbesserte er sich.
»Was würden Sie lieber machen, als im Weinberg zu arbeiten?«
»Ich will nichts anderes, vielleicht Vorarbeiter werden, ein paar Escudos, äh, Euro mehr verdienen, wissen Sie. Das Leben
ist teuer.«
»Betrachten Sie sich als wiedereingestellt, aber im Moment haben Sie Urlaub, bis ich mich melde. Wie hoch war die Abfindung?«
Pacheca kratzte verlegen mit dem Fingernagel auf der Tischplatte die eingetrocknete Farbe ab, bis er von seiner Frau einen
Rippenstoß bekam.
»10 000.«
»Genau 10 000?«
»Ja«, murmelte er, zwischen Überraschung und Hoffnung schwankend.
Irgendwem war es viel wert gewesen, Pacheca aus der Firma zu entfernen. Nicolas suchte bis tief in die Nacht nach einem Beleg
für die Abfindung. Er wälzte Aktenordner, ging alle Bankauszüge der letzten Monate durch und wühlte sich durch die unsortierte
Ablage. Er fand weder einen Zahlungsbeleg noch eine Aktennotiz, keine schriftliche Abmachung, nichts, was den Vorgang bestätigte.
Gab es eine schwarze Kasse, aus der die Abfindung bezahlt worden war? |252| Gab es Konten, von denen er nichts wusste? Otelo – der würde als Friedrichs Vertrauter informiert sein. Sollte es einen möglichen
Käufer für die Quinta geben, der den Betrag aufgebracht hatte? Was war mit den anderen Arbeitern, wie waren die abgefunden
worden? Nicolas hatte den Zettel mit Pachecas Adresse die Nacht über neben sich auf dem Schreibtisch liegen. Immer wieder
warf er einen Blick darauf, um sich das Schriftbild einzuprägen, aber auch hier blieb er erfolglos, keine handschriftliche
Notiz glich der auf dem Zettel, niemand schrieb nur in Großbuchstaben.
»Nicht dass der uns auch noch wegstirbt«, hörte er jemanden sagen. Erschrocken fuhr er hoch, suchte sich zwischen Traum und
Wirklichkeit zurechtzufinden, dann sah er den Aktenordner vor sich, die Sonne schien ins Büro, und reflexartig ließ Nicolas
den Zettel mit der Adresse verschwinden. Gonçalves stand lauernd in der Tür.
»Wenn Sie was suchen, dann fragen Sie uns besser«, sagte der Verwalter mit Blick auf die Unordnung, die Nicolas hinterlassen
hatte. »Kann man Ihnen helfen?«, fragte er scheinheilig.
»Ich suche etwas, das für Sie nicht von Interesse ist.« Oder was Ihnen das Genick bricht, hätte Nicolas lieber geantwortet.
Es war eine Frage der Zeit, wann die Feindschaft zwischen ihnen in ein höheres Stadium treten würde. Wenn Gonçalves die Treppe
angesägt hatte oder der Auftraggeber war, wenn er die Schilder im Weinberg hatte umstellen lassen, dann wollte er ihn eindeutig
aus dem Weg räumen. Damit war er ein potenzieller Mörder. Als dieser Gedanke in Nicolas Gestalt annahm, wurde ihm heiß. Er
wäre am liebsten auf Gonçalves losgegangen und hätte die Wahrheit aus ihm rausgeprügelt, er war ihm ohne Zweifel überlegen,
aber körperliche Gewalt empfand er als widerwärtig. Gonçalves’ überhebliches Grinsen, seine dumme Visage wurde ihm von Tag
zu Tag unerträglicher. Der Lump wusste, worum es ging: Sicher war er über die Erbregelung |253| informiert, wollte die Quinta für sich und sie dann an irgendwen verkaufen, das Schwein intrigierte auf Teufel komm raus,
er war ein Krimineller. Wie hatte Friedrich so jemanden einstellen können? Wo hatte Gonçalves 10 000 Euro für Pacheca herbekommen?
Er musste noch mal zu Pacheca, der hatte sicher einen Bankauszug mit der Kontonummer des Auftraggebers. Und wenn er das Geld
in bar bekommen hatte?
Gonçalves hatte sicher begriffen, wonach Nicolas suchte. Das würde ihn zum Handeln zwingen und ihn unvorsichtig machen. Auf
jeden Fall hatte er Nicolas’ Stimmungsumschwung bemerkt. Er entschuldigte sich, verließ das Haus und wandte sich dem Garten
zu. Wahrscheinlich ging er hinauf zum Kellermeister, um mit ihm die weiteren Maßnahmen zu besprechen, wie man ihn, Nicolas,
loswerden konnte. Aber da hatten sie sich getäuscht. Er würde dafür sorgen, dass der Wind jetzt aus
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