Der Portwein-Erbe
bis du hier bist. Wo iss’n der Wein?«
»Ist auch Dona Firmina nicht da, die Köchin?«
»Ach, die Alte? Ja, die wuselt hier rum und beobachtet |313| mich – und noch so’n Mädchen, sehr freundlich, spricht ganz gut Englisch.«
»Das ist Lourdes, sei nett zu ihr, aber lass sie in Ruhe. Hast du dir einen Leihwagen genommen? Dann hol mich am Bahnhof in
Peso da Régua ab, Lourdes wird dir den Weg aufzeichnen. Ich komme in einer halben Stunde an.«
Auf Happe war Verlass, er stand unter den Platanen am Kiosk und aß ein Eis. Sie umarmten sich herzlich. Happes Leihwagen,
ein knallroter Fiat, stand gegenüber.
»Der Ferrari für Arme«, meinte er und warf Nicolas’ Reisetasche auf den Rücksitz. »Dein erster Wagen hat Totalschaden, und
den zweiten haben sie dir geklaut? Alter – wenn das mal stimmt. Du hast ihn auch zu Schrott gefahren, oder deine Matte ist
dir in die Augen gekommen. Sei ehrlich, ist auch kein Wunder bei den Pisten, die Rallye Dakar ist nichts gegen die Strecke
zu dir. Und die schmale Brücke da vorn, wenn dich jemand rammt, fällst du in den Bach. Würde sich für Bungee-Jumping eignen,
der absolute Kick. Ich mach eine Agentur auf, lass die Leute bei dir wohnen. Echt geil, deine neue Hütte. Du betäubst sie
mit Portwein, und ich lass sie von der Brücke springen. Aber Spaß beiseite, ich habe schlechte Neuigkeiten.«
Nicolas hatte sich während der Bahnfahrt einigermaßen erholt, was sollte ihn jetzt noch umhauen? Für die Quinta gab es eine
Feuerversicherung. Oder hatte Gonçalves sämtliche Portweinfässer zerschlagen?
»Du wirst ohne Sylvia auskommen müssen. Ich habe sie in einem Café in den Hackeschen Höfen gesehen, verliebter Blick, Händchen
haltend, der Typ sah aus wie einer von unseren Frankfurter Freunden mit dem Kreditkarten-Quartett in der Tasche. Sie hat’s
geschafft, sieht aus wie ihr Traummann. Das wollte ich dir nicht vorenthalten.«
Als Nicolas lachte, war Happe vollends verblüfft. »Du freust dich?«
|314| »Ja, für sie. Eigentlich hatte sie auch kommen wollen, das wäre ein Wiedersehen geworden. Aber sie hat abgesagt, die Mutter
diente als Ausrede – Herzschwäche.«
»Da meint sie ihre eigene. Aber Scherz beiseite, was ist hier los?«
»Ich bin heilfroh, dass du da bist, Alter, ich brauche dich. Aber jetzt muss ich dringend was erledigen, heute Abend essen
wir auf der Terrasse. Wein gibt’s reichlich, und ich erzähle, aber erst einmal so viel, ich habe in Lissabon endlich Friedrichs
Kumpel getroffen. Er kommt, er macht wieder mit . . .«
»Ich verstehe gar nichts . . .«
»Mir geht’s ähnlich«, sagte Nicolas. Sie waren inzwischen vor dem Haus angelangt, und Dona Firmina lief schreiend auf den
Wagen zu. »
Seu Nicolau, o Perúss morre, eu acho que foi veneno, veneno . . .
«
Der Hund lag an der Treppe zum Garten, die Zunge hing aus dem schäumenden Maul. »Gift!«, hatte Dona Firmina gerufen.
Er hob den Hund auf, wusch ihm das Maul, versuchte vergeblich, ihm Wasser einzuflößen, dann trug er ihn zum Wagen. Sie mussten
sich beeilen. Er ließ Happe und Dona Firmina einsteigen, der Freund sollte fahren und sie ihnen den Weg zum Tierarzt zeigen,
er selbst hielt den Hund auf dem Schoß. Der Wagen sprang durch die Schlaglöcher, setzte auf, rutschte, schleuderte, doch nach
zwanzig Minuten waren sie in Pinhão, wo Dona Firmina einen Veterinär kannte.
»Soweit ich es beurteilen kann, war es Rattengift«, meinte der Tierarzt und wusch sich nach der Untersuchung die Hände, »einfach
und effektiv, für die intelligenten Ratten muss es geruch- und geschmacklos sein. Aber so viel Mühe gibt sich hier sonst keiner.
Wenn sie einen alten Hund loswerden wollen, genügen ein Knüppel oder eine Schlinge.«
Nicolas zahlte die Rechnung, der Hund blieb zur Beobachtung |315| beim Veterinär. Nicolas war überzeugt, dass man ihn mit der Vergiftung des Hundes hatte treffen wollen, er sollte verschwinden.
Aber er ging noch weiter. Als er mit Happe in die oberen Räume der Quinta zurückkehrte, um Happe sein Zimmer zu zeigen, bemerkte
er, dass die Tür zur Bibliothek angelehnt war. Nein, sie war aufgebrochen worden, und der Täter hatte sich keine Mühe gemacht,
den Einbruch zu vertuschen.
Happe war schweigsam geworden. Ahnte er das Ausmaß der Gefahr, in der Nicolas schwebte? Nicolas betrachtete das hinterlassene
Chaos auf dem Fußboden. Was hatten die Einbrecher gesucht? Er erinnerte sich dunkel, dass Dona Madalena in der
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