Der Portwein-Erbe
Tod verkauft wird und das Geld für ein Jugendprojekt in Luanda verwendet wird, in Angola. Er hat
keine Kinder, Madalena war 35, als er sie kennenlernte . . .«
Nicolas begriff, dass zwischen Otelo und Dona Madalena eine unüberbrückbare Distanz bestand.
». . . aber sie konnte keine Kinder kriegen. Wenn er welche gehabt hätte, dann hätten sie die Quinta geerbt. Ich glaube, sie
hat ihn so lange bearbeitet, bis er sein Testament zugunsten der Familie geändert hat. Ja, jetzt hast du sie.«
»Haben?« Nicolas sah Otelo an und seufzte. »Ich habe sie nicht, sie hat höchstens mich!«
»Dann kämpfe«, sagte Otelo. »Wir haben alle gekämpft. Das Schlimmste kommt noch.«
|306| 15.
Der Auftrag
Draußen raste das Ufer des Tejo entlang. Es gab bei der Geschwindigkeit des Zuges kaum etwas, das Nicolas klar erkennen konnte.
So ähnlich empfand er den Ablauf der Ereignisse. Alles kam auf ihn zu, und noch bevor er genau gesehen hatte, worum es sich
handelte, lag es bereits hinter ihm.
Das Licht des frühen Morgens war klar, Himmel und Fluss fanden am Horizont in einer Farbe zusammen. Rita hatte ihn zum Bahnhof
gebracht. Wann würden sie sich wiedersehen? Sie hatten nichts Konkretes verabredet. Vielleicht könnte er mal schnell mit dem
Wagen nach Lissabon fahren. Bei portugiesischer Fahrweise sollten es drei Stunden sein. Allerdings kannte er die Strecke nicht.
Lovely Rita – was für eine Frau. Er hatte ihre Stimme im Ohr, sah ihr Gesicht vor sich und hatte ihren Geschmack auf den Lippen.
Aber was am Douro vor ihm lag, machte ihm Angst, und er fragte sich, wieso man Dinge tat, vor denen man sich fürchtete. Er
atmete tief durch und spürte, wie verkrampft er war. Otelo hatte gemeint, das Schlimmste liege noch vor ihm. Was würden sie
als Nächstes gegen ihn unternehmen? Und wer SIE waren, das hatte er nicht verraten wollen. Nicolas glaubte, dass Otelo es
wusste und irgendetwas plante. »Zwei Tage noch, dann wirst du Bescheid wissen.« Nicolas wurde das Gefühl nicht los, dass ihm
die Rolle eines Lockvogels zugedacht war.
|307| Sie hatten den ganzen Tag lang geredet, eigentlich hatte nur Otelo erzählt. Der
provador
war ein Mensch, wie er nie zuvor einen getroffen hatte. Er war am Douro geboren, seine Eltern waren einfache Leute gewesen,
Weinbauern. Sie hatten Weintrauben angebaut und verkauft und ein wenig zum eigenen Verbrauch gekeltert. Andere hatten ihre
Trauben gekeltert und den Wein nach Vila Nova de Gaia verkauft. Aber dazu brauchte man bereits teure Anlagen. Otelo konnte
nicht sagen, wer oder was ihm die Augen für die sozialen Verhältnisse geöffnet hatte, denn seine fünf Geschwister waren anders.
»Sie leben ihr Leben und kümmern sich nicht viel ums Wetter.« Dabei kannten alle die harte Wirklichkeit am Douro, kannten
die Armut, die Rückständigkeit. Die Dourienses hatten sich damit abgefunden, seit die Engländer um 1680 begannen, ihren Wein
in Portugal statt in Frankreich zu kaufen. Dann war Portwein Mode geworden, in Londons Klubs wurden schwere und süße Weine
bevorzugt. »Die Engländer waren unser Fluch und unser Glück, unser Elend und unser Überleben. Von denen, die Wein angebaut,
verarbeitet oder transportiert haben, ist keiner reich geworden. Nur die Shippers.«
Otelo war als Kommunist verschrien. »Dabei habe ich nie mit ihnen sympathisiert.« Er hätte nicht sagen können, was sein Misstrauen
gegenüber den Kommunisten geweckt hatte; letztlich glaubte er, dass es ihr Machtanspruch gewesen war. »Traue keinem, der nach
der Macht greift, auch wenn er die Welt retten will!« Dann hatte ihn die Regierung als Achtzehnjährigen nach Angola geschickt.
»In die Hölle, in den Wahnsinn, ins Verderben – für die Angolaner wie für uns. Ohne Schaden ist keiner zurückgekommen.« Und
wenn die Familie die Rückführung nach Portugal nicht zahlen konnte, wurde der Tote in Angola begraben.
Auffallend war, dass Otelo eine gänzlich andere Sicht der Dinge hatte, ein ganz anderes Fazit aus dem Krieg gezogen |308| hatte als Dr. Veloso. Otelo empfand keinen Hass auf seine ehemaligen Feinde, gegen die ihn das Salazar-Regime hatte kämpfen
lassen, ganz im Gegenteil. Er verstand die Motive ihres Befreiungskampfes, und als er dieses Stadium erreicht hatte, wurde
es für ihn doppelt gefährlich. Sein einziger Gedanke war, am Leben zu bleiben und heil aus Angola rauszukommen. So wie ihm
ging es Tausenden portugiesischer Soldaten. Doch wer den Krieg
Weitere Kostenlose Bücher