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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Bibliothek
     etwas hatte nachschauen wollen. Sie hatte nicht gesagt, um was es sich handelte. Er sah die am Boden verstreuten Bücher, aus
     den Regalen rausgerissen, durchgeblättert und fallen gelassen. Es waren ausschließlich die politischen und philosophischen
     Bücher, die anderen waren nicht angetastet worden.
    »Jemand hat beobachtet, wie wir weggefahren sind«, sagte Nicolas zu Happe, »und hat die Gelegenheit genutzt – nur was hat
     er gesucht?«
    Wenn Dona Madalena etwas aus der Bibliothek gebraucht hätte, dann hätte sie ihn fragen können, und er hätte aufgeschlossen.
     Also kam sie nicht in Betracht. Er wusste sowieso nicht, weshalb er die Bibliothek immer abschloss; wahrscheinlich, weil er
     sie so vorgefunden hatte.
    Lourdes hatte niemanden gesehen und nichts gehört, sie war allerdings in der Mittagspause nach Hause gefahren. Dona Firmina
     umging die Peinlichkeit der Situation, indem sie kochte. Ihren Mann Roberto konnte man auch nicht fragen, denn er glänzte
     durch Abwesenheit.
    Sie gingen durch den Garten. Happe begeisterte sich für die Bäume mit exotischen Früchten, bis sie die Gärhalle betraten.
     Er war von dem Anblick der Tanks tief beeindruckt.
    |316| »Anders als deine Küche in Charlottenburg«, meinte er, »aber im Grunde genommen eine Küche. Du kennst dich damit aus, ich
     meine, du weißt, wozu die Tanks gut sind?«
    »Ich glaube es zumindest, und Glaube versetzt bekanntlich auch Weinberge.«
    »Na, viel Spaß, wenn du überhaupt bei der Weinlese noch hier bist.« Er umriss die Anlage mit einer Handbewegung. »Was sind
     die Hütte und das Land wert – und diese silbernen Kochtöpfe?«
    »Alles in allem – nicht ganz zehn Millionen . . .«
    Happe stöhnte gequält. »Und da dreht sich bei dir nicht alles? Reich geboren müsste man sein. Eine Köchin hast du jetzt –
     bügelt sie auch deine Wäsche, Herr Baron?«
    »Ich hatte nie jemanden, der mir meinen Kram nachgeräumt hat, außerdem solltest du nach zwanzig Jahren Freundschaft ein wenig
     Vertrauen aufbringen.«
    »Geld verdirbt den Charakter, Mann. Ich kann nur hoffen, dass du nicht abdrehst und deine Freunde vergisst.«
    Bevor Nicolas antworten konnte, öffnete sich die Tür am Ende der Halle und jemand, der sie im Halbdunkel nicht sehen konnte,
     kam ihnen entgegen. Nicolas zog Happe hinter einen der Tanks. Der Mann lief an einem Fenster vorbei, Nicolas erkannte in ihm
     den Kellermeister und rief seinen Namen. Ihm war eine Idee gekommen.
    »Senhor da Silva, ich möchte Ihnen den neuen Önologen vorstellen!«
    Der Kellermeister fuhr derart zusammen, dass Nicolas fürchtete, ihm würde das Herz stehen bleiben. Nicolas erklärte ihm, so
     gut sein Portugiesisch es zuließ, dass er jemanden aus Deutschland angefordert habe, der sich auskenne und sie während der
     Weinlese beraten würde.
    »Was hast du ihm gesagt?«, fragte Happe, als der Kellermeister mit gesenktem Kopf und zusammengepressten Lippen gegangen war.
    »Ich stelle dich von jetzt an als meinen Önologen vor, |317| Fachmann für Weinbau und Kellerwirtschaft. Mal sehen, was passiert. Ich will, dass die Ratten aus den Löchern kommen.«
    »Du bist wahnsinnig, ich habe nicht die geringste Ahnung von dem Krempel.«
    »Das weiß doch niemand.«
    »Du solltest hier verschwinden, Nicolas, und zwar lebendig. Lass uns verduften. Das ist es nicht wert. Was willst du mit zehn
     Millionen, wenn du tot bist? Du hättest dir bereits beim Treppensturz den Hals brechen können.«
    »Ich glaube, das war beabsichtigt«, bemerkte Nicolas ungerührt und war selbst über seine Gelassenheit erstaunt. »Der Kellermeister
     wird es herumerzählen, und sie werden sich was anderes einfallen lassen. Ich warte nur noch auf einen bestimmten Anruf, dann
     weiß ich, wer dahintersteckt. Und dann kommt es darauf an, was Meyenbeeker herausgefunden hat.«
    »Wer ist das?«
    »Ein Journalist, über vier Ecken bekannt mit meinem Onkel, mit Sichel. Man hat ihn zum Aufpassen geschickt, sozusagen als
     Kindermädchen. Es gibt Interessenten für meine Weinberge . . .«
    »Deine?«, fragte Happe und sah ihn kopfschüttelnd an. »So siehst du das inzwischen?«
    »Rechtlich gesehen sind sie das.« Beiden war klar, dass Nicolas sich herauswand. »Ich habe sie geerbt. Und dieser Interessent
     will sie haben. Wenn wir ihn kennen, kommen wir über ihn an den Anbieter. Da gibt es noch zwei Irrlichter eines Versicherungskonzerns,
     die wollen aus der Quinta ein Hotel machen. Ich muss ihr Vertrauen

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