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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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will, und das hat auch nicht geklappt. Er ist der geborene Verlierer. Wenn wir beweisen,
     dass er mich beseitigen wollte und auch Friedrich umgebracht hat, kriegt er lebenslänglich und stirbt im Knast.«
     
    Den Rest des Nachmittags liefen sie mit Antão Pacheca die Weinberge rings um die Quinta ab. Der Arbeiter kannte sich hervorragend
     aus, war mit seiner bisherigen Tätigkeit total unterfordert, wie Nicolas feststellte, und er freute sich darauf, demnächst
     andere Aufgaben zu übernehmen. Pacheca erklärte die Wichtigkeit der Laubarbeit an den Weinstöcken. Er zeigte, dass im Frühjahr
     je Stock acht bis zehn Triebe stehen gelassen worden waren, die immer wieder zwischen die Spanndrähte gesteckt oder angebunden
     werden mussten. Die überflüssigen Geiztriebe wurden herausgebrochen. Es ging um das harmonische Verhältnis zwischen der Wuchskraft
     der Rebe und der Entwicklung der Trauben und darum, durch Licht und Belüftung einen möglichen Pilzbefall zu vermeiden. Pacheca
     wusste auch, bei welchen Lagen, bedingt durch das Mikroklima des Weinbergs, mehr Laub entfernt werden musste. Er würde am
     nächsten Tag die Mannschaft zusammenstellen, die ehemaligen Arbeiter zusammentrommeln. Sie würden vorübergehend mehr Leute
     als bisher brauchen, da nicht mit der nötigen Sorgfalt gearbeitet worden war. Und die weniger wertvollen Lagen sahen besonders
     vernachlässigt aus.
    Als Nicolas ihn in Peso da Régua absetzte, Happe hatte |334| ihn mit seinem Ersatz-Ferrari eskortiert, druckste Pacheca herum und vergewisserte sich noch einmal, dass er die 10 000 wirklich
     nicht zurückzahlen musste.
    »Haben Sie von mir 10 000 erhalten?«, fragte Nicolas.
    »Nein, wieso?«, antwortete Pacheca, der nicht verstand, worauf Nicolas hinauswollte.
    »Wie sollte ich etwas zurückverlangen, was ich Ihnen gar nicht gegeben habe? Vergessen Sie es. Außerdem haben wir das hier
     bald hinter uns.« Er erklärte dem verdutzten Mann nicht, wie er das meinte. Dessen Verblüffung steigerte sich noch, als er
     sah, dass Happe ihnen mit seinem Wagen gefolgt war.
    »Bist du nun optimistisch oder blauäugig?« Happe lehnte sich aus dem Wagenfenster, und Nicolas merkte, wie sehr ihm die undurchsichtige
     Situation doch an den Nerven zerrte. Ergeben breitete Nicolas die Arme aus und stieg in seinen Wagen.
    Happe hatte an der Staumauer zwischen Peso da Régua und Folgosa halten wollen, Nicolas aber war weitergefahren. Ein Stück
     voraus stand an der Uferstraße ein Wagen mit eingeschalteter Warnblinkanlage. Die Frau daneben winkte. Nicolas hielt. Er sah
     den zweiten Wagen nicht, der in einem fast zugewachsenen Weg stand, aber als er ausgestiegen war, wusste er, dass es zu spät
     war. Er hatte einen Fehler gemacht. Er hätte nicht halten dürfen. Alles Weitere ging blitzschnell. Dass sie so schnell reagieren
     würden, hatte Nicolas nicht erwartet.
    »
Pare!
«, sagte eine Stimme hinter ihm, und er spürte, wie ihm jemand etwas in den Rücken bohrte. Es konnte eine Pistole sein oder
     auch nicht. Er hob die Arme, bekam einen Schlag ins Genick, taumelte, wurde herumgerissen und stolperte auf den zweiten Wagen
     zu, während der erste Wagen wegfuhr. Man zerrte ihn auf den Rücksitz, band ihm wieder die Hände auf den Rücken und drückte
     seinen Kopf so weit zwischen seine Knie, dass er kaum atmen |335| konnte. Jemand wickelte ihm ein stinkendes Tuch um die Augen. Dann hörte er, wie mit seinem Wagen rangiert wurde.
    Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, er fühlte sich wie unter Strom. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg. Aus der Erinnerung
     versuchte er, den Weg mitzufahren. Sicher ging es zurück nach Peso da Régua, denn er erkannte, in welcher Richtung sie auf
     die Uferstraße einbogen. Wenn sie meinen Wagen dort versteckt haben, wo dieser gestanden hat, wird Happe daran vorbeifahren,
     ohne ihn zu sehen, dachte Nicolas. Er wird auf der Quinta warten, und dann wird er unruhig werden. Nicolas versuchte sich
     vorzustellen, was geschehen würde. Happe wird mich auf dem Mobiltelefon anrufen. Er wird nicht wissen, was er tun soll, aber
     er wird was tun. Er spricht kein Portugiesisch, er hat von niemandem eine Telefonnummer – aber er wird sich erinnern, wo Antão
     Pacheca wohnt.
    Happe war für sein Ortsgedächtnis berühmt. Er würde Pacheca um Hilfe bitten. Normalerweise brauchte man zehn Minuten bis nach
     Peso da Régua. Nicolas registrierte den Geruch der Männer neben ihm. Einer war Raucher. Seine Kleidung roch mutig,

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