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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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trotzdem
     haftete ihr was von Reinigungsmitteln an. Der Geruch des anderen wurde von einem billigen Aftershave zugekleistert. Es war
     so grässlich, dass Nicolas nicht definieren konnte, wonach es eigentlich roch.
    Wie erwartet kam die scharfe Linkskurve vor dem Lokal, man musste beinahe Schritt fahren, kurz darauf folgte der Kreisverkehr.
     Er hörte, dass der Blinker erst spät gesetzt wurde, dann überquerten sie im Schritttempo die Brücke. Zu seinem Erstaunen bogen
     sie direkt dahinter nach rechts ab, fuhren also stadtauswärts. Nach einem längeren Anstieg folgte eine Kurve nach der anderen,
     dann ein Bahnübergang. Diese Strecke kannte er nicht. Es war etwa eine Viertelstunde vergangen, als sie von der asphaltierten
     Straße |336| auf einen holperigen Weg einbogen, der im Kies endete. Die Fahrt über war nicht ein einziges Wort gefallen.
    Auch jetzt, als sie ihn aus dem Wagen in ein Haus zerrten, schwiegen seine Entführer. Dann gab es Zurufe, kurze Worte, die
     Nicolas nicht deuten konnte, bis man ihn wie einen Sack in einen Raum warf und benommen liegen ließ. Zumindest konnte er sich
     bewegen, wenn auch die Hände gefesselt waren. Das hatten seine Entführer so geschickt gemacht wie nachts auf der Tankstelle.
     Waren das dieselben Leute? Er versuchte, die Knie anzuziehen, um sich das Tuch von den Augen zu schieben. Es wäre ihm gelungen,
     er sah bereits, dass er in einer Werkstatt lag. Auch der ölige Geruch deutete darauf hin. Er hatte die Beine einer Werkbank
     gesehen und eine Kiste mit Kabeln, doch da machte ein Fußtritt seinen Bemühungen ein Ende. Er brüllte vor Schreck und Schmerz,
     er hatte das Gefühl, dass man ihm eben die Wirbelsäule gebrochen hatte. Das war weiß Gott kein Spiel mehr. Hier ging es um
     mehr als um die Quinta. Er war Berufsverbrechern in die Hände geraten, denen jedes menschliche Gefühl abging. Waren Gewalt
     und Hass nicht jene viel zitierten Eigenschaften, die den Menschen vom Tier unterschieden?
    Man rollte ihn auf eine Plastikplane, aber der Boden blieb genauso hart und kalt. Es war Zement. Hand- und Fußgelenke wurden
     mit Stoff umwickelt und so gefesselt, dass er sich nicht einmal mehr krümmen konnte. Die Fesseln saßen fest, aber sie schnitten
     nicht ein und hinterließen keine Spuren. Also wollten sie ihn wieder laufen lassen. Das war zumindest ein Hoffnungsschimmer.
     Aber weder seine Bitte um Wasser noch der Wunsch, zur Toilette gehen zu dürfen, wurden erfüllt. Als er sagte, er könne kaum
     an sich halten, vernahm er hämisches Gekicher. Er fror, er zitterte nach einer Weile vor Anspannung am ganzen Körper. Zuletzt
     blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Druck nachzugeben, er musste sich gehen lassen. Wenn er sich später |337| daran erinnerte, war es das Zweitschlimmste dieser Nacht, bewegungslos ausgestreckt, mit beinahe abgestorbenen Gliedern, bis
     ins Morgengrauen in seinen eigenen Exkrementen liegen zu müssen. Es war ekelig, fürchterlich nass, aber das Schlimmste war,
     dass ihm auf diese Weise die Würde genommen wurde. Das war wohl ihr Ziel.
    Sein Rufen nach Wasser wurde irgendwann in der Nacht erhört. Man gab ihm medizinisch schmeckendes Wasser zu trinken, auch
     wenn es widerlich roch, so war es zumindest eine Flüssigkeit. Nur zwei Minuten danach erbrach er sich, es war offenbar ein
     Brechmittel gewesen. Er erbrach sich im Lauf der Nacht immer wieder.
    »Hier stinkt es grauenhaft. Mach’s Fenster auf«, sagte jemand, der den Raum betrat. Nicolas war geradezu froh, dass jemand
     kam. Er wunderte sich, wie zäh der Mensch war und was er aushalten konnte. Er musste durch dieses Grauen hindurch. Töten würden
     sie ihn nicht; demoralisieren wollten sie ihn, gefügig machen, damit er seine Unterschrift unter den Verzicht auf die Quinta
     setzte. Es war ein Vorteil, wenn man wusste, was der Gegner – Feind war eigentlich treffender – von einem wollte.
    Man zwang ihn, sich auf eine Kiste zu setzen, mitten rein in seinen Kot. Ihn schauderte.
    »Das wahre Leben ist nichts für die Kinder von Millionären«, meinte die Stimme auf Englisch. Nicolas glaubte, dass drei Männer
     im Raum waren, einer von ihnen soufflierte dem Sprecher die Worte, der Parfümierte stand dicht bei ihm. Vor ihm hatte Nicolas
     die meiste Angst. Mit einem Mal ahnte er, was vor sich ging. Hatten sie ihn womöglich entführt, um von seinem Vater Lösegeld
     zu erpressen? Wenn es so wäre, dann wäre das sein Ende ...
    »Machen wir es kurz«, ließ sich die Stimme

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