Der Portwein-Erbe
vernehmen. »Wir wollen, dass du verschwindest. Wir wollen, dass du den Erbvertrag
für die Quinta aufhebst. Du lehnst es ab, die Quinta weiterzubetreiben – und du bist frei.«
|338| »Niemals«, knurrte Nicolas mit brüchiger Stimme, »
nunca, never . . .
« Da traf ihn ein Schlag, zu hart, um ein Knüppel zu sein, zu weich, um ihn zu verletzen. Aber es tat höllisch weh und brannte.
Sie ließen ihm vor dem nächsten Schlag reichlich Zeit, den Schmerz auszukosten.
»Überlege es dir. Dich lassen wir vielleicht laufen, aber deine Freundin nicht.«
»Ich habe keine Freundin.«
Das Lachen daraufhin hörte sich bekannt an. »Und wer ist Rita?« Da kam der nächste Schlag.
»Lasst sie da raus.« Nicolas kannte seine eigene Stimme kaum wieder. Hatten sie Rita auch entführt, oder blufften sie?
»Ein sehr hübsches Gesicht, was für uns alle. Du willst doch nicht, dass ihr was zustößt? Es liegt bei dir.« Wieder ein Schlag.
Nicolas keuchte und fragte sich, wer der Souffleur war. Es gab jemanden im Raum, der englisch sprach, eigentlich mehr amerikanisch,
einige Formulierungen ließen den Schluss zu. Und dieser Souffleur gab dem Sprecher die Worte vor. Dann folgte der nächste
Schlag und der nächste. War es möglich, dass dort Friedrichs Mörder saß? Also hatte er ihn gefunden – doch was nutzte es ihm
jetzt noch?
»Du hast einen Tag. Du fährst zur Quinta, dann wasch dich, du Schwein. Du riechst nach Scheiße. Du rufst Pereira an. Sag ihm,
dass du gehst. Verstanden?«
Als Nicolas nichts sagte, bekam er einen Schlag auf den Kopf.
»Heute Nachmittag fährst du nach Porto. Du unterschreibst den Verzicht, du annullierst den beschissenen Vertrag und verpisst
dich.«
Das war eindeutig. Jetzt endlich erkannte Nicolas – für einen kurzen Augenblick konnte er einen klaren Gedanken fassen –,
wer dort die Kommandos gab: Es war Dr. Veloso. Er gab die Sätze vor und die Schläge. Dann hatte der Mörder |339| selbst den Totenschein ausgestellt. Aber wie hatte er Friedrich umgebracht?
»Niemals«, sagte Nicolas, um Zeit zu gewinnen, aber er erhielt nur einen weiteren Schlag ins Gesicht, diesmal mit der flachen
Hand aufs Ohr, und das Summen lähmte jeden Gedanken.
Die Stimme nannte Ritas Adresse und beschrieb ihre Wohnung. Also waren sie bei ihr gewesen. Jetzt bahnte sich tatsächlich
die Katastrophe an. Es ging nicht mehr nur um ihn. Rita war in Gefahr, und er hatte kein Recht, sie mit hineinzuziehen. Er
durfte ihr Leben nicht gefährden. Sie hatte mit allem nichts zu tun und durfte nicht dafür büßen, dass er der Situation nicht
gewachsen war. Sie hatten ihn an seiner schwächsten Stelle erwischt. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als auf ihre Forderungen
einzugehen. Der nächste Schlag riss ihn auf brutale Weise aus seinen Gedanken. Sie schlugen ihn auf eine Weise, dass ihm der
Kopf dröhnte, aber die Zähne drinblieben. Die verstanden was davon, so absurd es klang.
Völlig benebelt hörte Nicolas sich sagen, dass er ihre Forderungen akzeptiere, aber sie schlugen weiter, nicht zu fest, dafür
unregelmäßig. Sie zerschlugen nicht seine Knochen, sondern sein Selbstvertrauen, darum ging es ihnen, um seine Moral, seine
Selbstachtung, die wollten sie zerstören und ihn seine absolute Hilflosigkeit fühlen lassen. Das war Terror, das war Folter.
Mal lag eine lange Pause zwischen zwei Schlägen, mal folgten sie kurz nacheinander. Er konnte sich keine Sekunde sicher fühlen.
Für Nicolas gab es nur noch Schläge und die Zeit dazwischen, er fragte sich, wie lange er das durchhielt, wann im Inneren
seines Körpers und Kopfes alles Brei sein würde.
Irgendwann ließen sie von ihm ab. Er lag keuchend wieder auf der Plane und hoffte, dass alles, wirklich alles vorbei wäre.
Dieser Brei aus Ekel und Schmerz ließ sich nicht mehr lokalisieren. Irgendwann zerrten sie ihn hoch, |340| stopften ihn hinten in einen Kleinlieferwagen, brachten ihn zu seinem Wagen und warfen ihn raus. Den Schlüssel bekam er in
die Hand gedrückt, als sie seine Fesseln losmachten und ihm sein Mobiltelefon zusteckten.
Er mochte sich nicht in den Wagen setzen, nicht die Sitze beschmutzen, er fühlte sich selbst nur wie ein Haufen Scheiße. Er
schämte sich für den Zustand, in den andere ihn gebracht hatten. Er stank, er musste fürchterlich aussehen, er hatte Angst,
dass ihn jemand so sehen könnte – als trüge er die Schuld daran. Das war es, was sie bezweckt hatten, genauso sollte er denken.
Sie
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