Der Portwein-Erbe
witzig klingen, wenn ich so rede, aber mich ekelt es an; irgendwann, wenn man es zu lange praktiziert, wird
man so und glaubt das, was man sagt. Mein Vater kann nicht mehr anders. Meiner Ansicht nach ist Friedrich damals auch deshalb
abgehauen, aus Angst vor sich selbst.«
Sie fuhren zurück Richtung Quinta. Nicolas rief Pereira an und erzählte von dem Treffen. Der Anwalt kannte den Makler und
war sicher, dass man ihm den Anbieter nennen würde. Doch statt auf die Quinta zu fahren, fuhren sie nach Peso da Régua. Zu
Nicolas’ Erleichterung war Perúss über |331| den Berg und konnte abgeholt werden. Die Analyse der Futterreste hatte Rattengift ergeben. Glücklicherweise hatte der Hund
nur wenig davon gefressen. Dona Firmina beteuerte unter Tränen ihre Unschuld, als Nicolas den Hund in den Salon brachte.
Ihr Mann bekam einen Tobsuchtsanfall, als der Tischler eintraf, den Nicolas beauftragt hatte, die Tür zur Bibliothek zu reparieren
– da machte jemand seine Arbeit! Dann überbrachte Lourdes die nächste Hiobsbotschaft: Gonçalves’ Ehefrau habe angerufen, ihr
Mann liege im Krankenhaus, und ihren Andeutungen nach handle es sich um eine Tablettenvergiftung, was immer man davon halten
sollte. Er könne nicht sprechen, man wisse nicht, ob er nicht wolle oder es nicht könne.
»Selbstmord?«, fragte Happe noch leichthin.
»Mord«, sagte Nicolas und gab ihm Friedrichs Brief zu lesen.
Happe wurde blass. »Heißt das, dass du der nächste ... Wo nimmst du nur diese Ruhe her, Mann?«
»Mich bringt niemand um, es nutzt ihnen nichts. Es bleiben eigentlich nur wenige übrig, die was davon hätten. Da muss ich
Gonçalves wohl Abbitte leisten . . .«
»Wie cool du davon sprichst. Als ginge es nicht um deinen eigenen Arsch.«
»Es würde ihnen nichts nutzen, Happe, glaub mir. Bei meinem Tod erben meine nächsten Angehörigen, damit hätten sie alles verloren.
Ihnen nutzt nur, wenn sie mich dazu bringen, den Erbvertrag zu annullieren.«
»Du irrst, mein Freund. Bei den anderen Anschlägen haben sie deinen Tod auch in Kauf genommen.«
»Mag sein. Aber wenn sie mich hätten umbringen wollen, hätten sie sich nicht so viel Mühe machen müssen.«
Der erste Drohanruf traf eine halbe Stunde später ein, Lourdes rief Nicolas ans Telefon, jemand wolle ihn sprechen.
|332| »
If you don’t resign – you will die, and before we fuck you!
«
»Lass uns abhauen«, schlug Happe vor, als Nicolas ihm davon erzählte. »Wir packen, geben die Autos zurück und fahren irgendwohin
ans Meer.«
»Du kannst gehen, ich nehme es dir nicht übel.« Nicolas’ Stimme hatte einen harten Klang angenommen. »Vielleicht ist es Wahnsinn,
dass ich bleibe, aber ich habe einen Auftrag. Ich weiß es nur erst seit gestern. Außerdem sind das hier mein Haus, mein Land,
meine Weinstöcke, mein Hund, mein Bett steht da hinten in dem Zimmer, unten ist mein Büro.«
»Das hast du alles nur geerbt.«
»Eben, und seit Wochen muss ich darum kämpfen, dass ich es behalten darf.«
»Unter Einsatz deines Lebens?«
»Setzt man sein Leben nicht immer ein, bei allem, für alles, jeden Tag wieder?«
»Oh,
shit
, Mann. Du bist nicht zu retten. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als auch zu bleiben.« Happe seufzte. »Dann betrachte
mich von jetzt an wirklich als deinen Leibwächter.«
»Kommt aufs Gehalt an.«
»Kost und Logis – und Portwein frei – ach, und natürlich die geilen Sahnetörtchen.«
»Klar, bis zum Abwinken. Würde mich jedoch viel mehr interessieren, ob du was ... mitgebracht hast.«
»Du fragst? Der Ton gefällt mir besser. Nur macht Dope nicht aggressiv. Alkohol wirkt da besser.«
»Sie werden sich wieder melden. Außerdem kommt Otelo morgen. Ich rede noch einmal mit Pereira. Er muss die Obduktion meines
Onkels einleiten, keine Ahnung, wie das geht, wer von den Familienangehörigen das veranlassen kann. Vielleicht mein Vater,
er ist der nächste Verwandte. Den würde ich allerdings lieber aus der Sache raushalten. Wenn er sich irgendwo einmischt, übernimmt
der sofort |333| das Kommando, geradezu zwanghaft. Außerdem muss ich mit Pereira über Gonçalves sprechen. Ich glaube, wir müssen auf ihn aufpassen.
Ich habe ihn bislang überschätzt. Pereira hat recht, der ist nur vorgeschoben. Entweder weiß er zu viel, dann will man ihn
weg haben, oder er hat sich den Umgang mit mir leichter vorgestellt. Er ist der Sache hier nicht mehr gewachsen. Kann sein,
dass er auf diese Weise aussteigen
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