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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hatten noch immer Macht über ihn. Der Schweiß lief ihm übers Gesicht. Er schleppte sich über die Straße, die Böschung
     hinunter und kroch angezogen in den Fluss. Im weichen und warmen Wasser fühlte er sich leicht, der Rio Douro war gnädig mit
     ihm.
    »Wir sind hier, denke daran, wir sind immer in deiner Nähe. Wir kennen dich, aber du kennst uns nicht. Wir beobachten dich,
     wir wissen, was du tust, wen du triffst, wo du hinfährst. Du wirst dich keine Sekunde mehr sicher fühlen.« Das waren ihre
     letzten Worte gewesen.
     
    Einer nach dem anderen trat aus dem Haus. Alle waren da, sie liefen auf ihn zu, dann, als sie seinen Zustand bemerkten, wichen
     sie entsetzt zurück. Happe, Dona Madalena, Meyenbeeker, Dona Firmina und Lourdes, der Kellermeister, Dr. Pereira und noch
     einige Unbekannte. Das war der schlimmste Moment, schlimmer als das Brechmittel, der Kot, der Durst und die Kälte – die Scham
     war das Schlimmste. Nur Otelo ließ sich nicht beirren, kam auf ihn zu, fasste ihn am Arm und brachte ihn zur Gartentreppe,
     wo es einen Wasserhahn und einen Gartenschlauch gab. Er scheuchte die Gaffer weg, holte Trinkwasser und einen Eimer und half
     Nicolas beim Ausziehen und Waschen. Nicolas bemerkte, wie Perúss sich setzte und ihn anschaute. |341| Nur vor ihm schämte er sich nicht. Konnten Hunde ein freundliches Gesicht machen?
    »Was ist mit Rita?«, war Nicolas’ erste Frage.
    »Sie ist heute Morgen nach Madeira geflogen, sie musste als Reiseleiterin einspringen.«
    »Sie haben gesagt, sie hätten sie ... sie würden ihr was antun, wenn ich weitermache.«
    »Ich kläre das eben.« Otelo rief etwas zum Haus hin. Nicolas gab sich keine Mühe, es zu verstehen. Er saß nackt an die Mauer
     gelehnt, genoss das frische Wasser im Mund, am Körper, den Anblick von Perúss und dass Otelo für ihn sorgte. Er musste sich
     zusammenreißen, um nicht einfach zur Seite zu fallen und liegen zu bleiben. Als er in ein Badehandtuch eingewickelt aufstand,
     drückte Otelo ihn vorsichtig an sich. »Wir kriegen sie, verlass dich darauf.«
    »Es war Dr. Veloso . . .«
    »Ich weiß«, sagte Otelo ruhig, »aber schweige, um Himmels willen, schweig!«
    »Und Rita ist nicht in Gefahr?«
    »Sie haben sie verpasst . . .« Otelo brachte ihn zur Haustür, wo ihn alle besorgt anstarrten. Dona Madalena kam auf ihn zu
     und nahm ihn in die Arme.
    »Es tut mir so leid.«
    Das konnte er überhaupt nicht gebrauchen, ihre Umarmung war ihm zuwider, sie war nicht aufrichtig, er spürte es. Er bückte
     sich noch einmal nach Perúss, der Hund ließ sich streicheln.
    »Er kommt mit rauf, er passt auf. Und dass ihm keiner Rattengift gibt.« Er blickte Dona Madalena an. »Wie geht es Gonçalves?«
    Sie wollte etwas sagen, ihr Kinn bewegte sich. Sie wich zurück. »Woher soll ich das wissen?«
    An ihrer Stelle antwortete Dona Firmina: »Er kann noch immer nicht sprechen.«
    Otelo und Happe gingen mit nach oben. Nicolas legte |342| sich aufs Bett. »Bleibt bitte hier. Lasst mich nicht allein.« Sie setzten sich ans Fußende und schwiegen lange.
    »Er heißt in Wirklichkeit Silvério de Lima, so hieß er jedenfalls in Angola«, sagte Otelo, als Nicolas wieder einigermaßen
     bei Kräften war. »Da hat er für den Geheimdienst gearbeitet. In Afrika war er noch brutal, da kam niemand, weder Schwarze
     noch Weiße, ohne Spuren aus so einem Verhör. Nach dem Mai 1974 ging er in die USA. Es war ihm in Portugal zu gefährlich, zu
     viele kannten ihn. Drei Jahre später kam er als Dr. Veloso zurück. Als man nach Friedrichs Tod drohte, mich umzubringen, bin
     ich verschwunden und habe versucht herauszufinden, wer dahintersteckt. Deshalb war ich in Lissabon, die Freunde von damals
     aufsuchen und meine Spuren verwischen. Ich habe rausbekommen, dass de Lima sich in Dr. Veloso verwandelt hatte, und er hat
     gemerkt, dass wir ihn suchen. Es hat Wochen gedauert, das alles herauszufinden – und zu beweisen. Wir leben in einer halbwegs
     funktionierenden Demokratie, da werden wir nicht zu denselben Mitteln greifen wie unsere Feinde.«
    »Das verstehe ich nicht«, murmelte Nicolas.
    »Macht nichts, schlaf erst mal. Ein Arzt kommt, keine Angst, es ist wirklich Fredericos Hausarzt.«
    Am Abend war Nicolas wieder einigermaßen hergestellt. Henry Meyenbeeker kam zu ihm in den Salon und berichtete, dass die Quinta
     do Andrade die Weinberge kaufen wollte. Sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, half Nicolas, das Grauen der Nacht zu vergessen.
     Meyenbeeker

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