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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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niemand
     von ihnen wusste, wohin er wollte, sie hätten ihn nie gehen lassen. Es war beruhigend, dass Perúss wie immer irgendwoher auftauchte
     und ihn begleitete. Er mochte den Hund sehr. Es gefiel ihm, dass er so unabhängig war. Er ähnelte eigentlich mehr einer Katze.
    Den Weg fand Nicolas auch im Dunkeln. Er streifte die Weinstöcke, strich mit den Händen über die Blätter. Die Trauben hatten
     sich in den letzten Tagen verfärbt, sie begannen zu reifen. 100 Tage waren es von der Blüte bis zur Lese. Es fehlten nur noch
     vier Wochen. Es war unvermeidlich, dass er beim Hinaufgehen den Kopf hob, und so sah er die Sterne. Er blieb stehen und schaute
     nach Westen, der Abendstern flimmerte, ein heller Streifen lag über dem Bergrücken.
    Er wusste selbst nicht zu sagen, weshalb er zu Dona Madalena ging. Es war wie ein Zwang, der von Friedrichs Brief ausging.
     Und etwas an dieser Frau zog ihn an, ihre faszinierende Persönlichkeit, nicht schillernd, aber ungreifbar, ein Gesicht wie
     ein Vexierbild, mal weiblich und schön, das Gesicht einer gestandenen, reifen Frau, mal pergamentene Haut, glatt, ohne Regung
     und Gefühl, das Antlitz einer |364| uralten Skulptur. Eine kalte, erloschene Göttin. Dort, wo sein Magen war, saß die Angst. Als er zwischen den Weinstöcken hervortrat
     und auf das erleuchtete Haus zuging, blieb Perúss zurück. Pass auf mich auf, Hund, dachte Nicolas und ging weiter.
    Er klopfte. Er hätte die Glocke benutzen können, aber er klopfte. Er fühlte sein Herz schlagen, er war aufgeregt. Diese Frau
     setzte ihren Preis wahnsinnig hoch. Für Friedrich war er zu hoch gewesen. Sie stand in der Tür, ihr schwarzes Kleid umhüllte
     ihren Körper wie eine zweite Haut. Eine Schlange macht sich rund, bevor sie zubeißt.
    Sein Blick fiel auf den gedeckten Tisch. Alles war perfekt dekoriert, und das Licht des Deckenleuchters brach sich auf Kristall
     und feinem Porzellan. Aber da war keine Wärme, nicht eine Spur. Und die Kerzen des silbernen Leuchters, die dem Ensemble teuerster
     Gegenstände Leben hätten einhauchen können, waren nicht angezündet worden. Als Nicolas das Arrangement durchschaute, bemerkte
     es auch Dona Madalena. In diesem Moment wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Sie würde ihn ausbügeln müssen und
     wusste doch, dass es unmöglich war. Nicolas küsste sie auf beide Wangen, er hielt sich an die Form. Es kam darauf an, ob man
     sich tatsächlich berührte, ob man den Kuss nur andeutete, wie nah die Lippen einander waren, all das hatte er in den vergangenen
     Monaten beobachtet. Die Berührung mit Dona Madalena war gezwungen, deshalb dauerte sie länger als angebracht.
    »Ich hoffe, du magst, was ich gekocht habe. Ich habe Dona Firmina extra gefragt, was du gern isst . . .«
    »Nicht Roberto, ihren Mann?«
    Sie drehte sich langsam um. »Nein, nicht ihren Mann. Ich habe sie gefragt.« Die Partie war eröffnet.
    »Möchtest du einen weißen Port, sozusagen als Aperitif? Frederico hat eine kleine Menge davon produziert, aber nur für uns
     privat und natürlich für Gäste. Man reicht ihn |365| gekühlt. Ich habe hier auch ein Rezept für einen Longdrink. Wie ich erfahren habe, gehörst du zu jenen Menschen, die alles
     selbst ausprobieren müssen – Frederico war auch so. Scheint an den Genen zu liegen.«
    War das von oben herab gemeint oder sprach da der pure Neid?
    »Nimm zu einem Drittel weißen Port, dann ein Drittel Alvarinho, den besten Weißwein aus dem Minho, und dann ein Drittel Orangensaft.
     Eis und Limettenscheiben nach Gusto. Es ist wunderbar bei der Hitze. Aber du hast Glück, in diesem Jahr ist es nicht so heiß
     wie sonst.« Sie drehte sich um, ging zum Telefon, wählte, bekam keine Verbindung und ging mit eisigem Gesicht in die Küche.
    Nicolas versuchte, sie sich neben Friedrich vorzustellen, aber stattdessen sah er Veloso vor sich. Von Friedrich hatte er
     kein Bild mehr vor Augen. Er hatte unten kein Foto aus jüngster Zeit von ihm gesehen, und weder im Wohnzimmer noch im angrenzenden
     Arbeitszimmer, getrennt durch einen offenen Durchgang, stand etwas, das an ihn erinnert hätte. Nicolas blieb vor einem Schreibtisch
     stehen, an dem Friedrich gesessen haben musste. Ein höllisches Durcheinander.
    »So ist das, wenn jemand plötzlich geht«, hörte er ihre Stimme dicht hinter sich. Der Schreck hätte nicht größer sein können,
     wenn einer seiner Peiniger plötzlich hinter ihm gestanden hätte. »Hat dich das alles so in Mitleidenschaft

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