Der Portwein-Erbe
matt
und müde, als stünde er unter Drogen, was nach seinem Selbstmordversuch auch der Fall war. Nicolas würde ihm weder Vorhaltungen
machen noch ihn mit Fragen in die Enge treiben.
»Sie wollten mich sprechen, also müssen Sie den Anfang machen«, sagte er, als Gonçalves einzuschlafen schien.
»Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll«, murmelte er und bewegte die Hände unruhig unter dem Laken.
Nicolas hatte Mitleid mit Gonçalves, obwohl der ehemalige Verwalter mit denen in Verbindung stand, die ihn vorletzte Nacht
gequält hatten, um nicht zu sagen gefoltert.
»Sie wollten mich sprechen? Wollen Sie reden oder soll ich Sie fragen? Ich frage Sie, und Sie antworten mir, einverstanden?«
Gonçalves deutete ein Nicken an.
»Kennen Sie Dr. Veloso?«
Gonçalves seufzte und schüttelte den Kopf. Sogar diese Bewegung schien ihm schwerzufallen. »Kennen? Nein, aber ich weiß, wer
er ist. Er war im Büro und hat Wein gekauft.«
»Gekauft oder geholt?«
»Geholt.«
»War das vor oder nach dem Tod meines Onkels?«
»Davor und danach, als Sie bereits da waren. Das Mal davor hat er bezahlt, danach nicht. Dona Madalena hat gesagt, das übernehme
sie.«
Nicolas beschloss, sich heranzutasten. »Was halten Sie von Lourdes? Ist sie eine gute Mitarbeiterin? Kann sie sich weiterentwickeln?«
Die Frage war unsinnig, Nicolas traute Gonçalves keine Menschenkenntnis zu und auch nicht die Beurteilung von Mitarbeitern,
aber möglicherweise konnte er heraushören, ob sie von den Kungeleien wusste. Anderenfalls hätte er bei seinen Geschäften besser
abgeschnitten.
|359| »Sie ist jung, sie kann lernen, und sie will arbeiten. Gute Voraussetzungen, besser als meine.«
»Was waren Ihre? Ich bin erstaunt über Ihr gutes Englisch.«
»Und ich über Ihr Portugiesisch. Sie haben schnell gelernt.«
»Sie haben mich dazu – gezwungen, Sie!« Nicolas merkte schnell, dass er Gonçalves führen musste. »Was waren Ihre Voraussetzungen?«
»Ich habe nicht gewusst, worauf das hinauslief, und ich habe es nicht gewollt. Alles war zum Scheitern verurteilt.«
»Würden Sie sich besser fühlen, wenn es geklappt hätte, wenn ich mir beim Treppensturz nicht nur den Arm gebrochen hätte?«
Gonçalves verkroch sich unter dem Laken. »So war das nicht gemeint.« Nicolas schwieg, doch nach zwei Minuten hielt er es nicht
mehr aus.
»Sie haben nicht aus eigenem Antrieb gehandelt, davon gehe ich aus. Wer hat Ihnen gesagt, was Sie tun sollen? Dr. Veloso?«
»Nein, Dona Madalena. Sie hat mich in Lissabon aufgesucht. Wir kannten uns von früher – sie hatte ein Verhältnis mit dem Geschäftsführer
der Firma, bei der ich gearbeitet habe. Sie hat mir die Bewerbung als Verwalter geschrieben.«
»Wann war das?«
»Getroffen haben wir uns vor anderthalb Jahren. Kurz danach habe ich die Bewerbung geschrieben. Sie meinte, dass der damalige
Verwalter pensioniert würde. Sein Posten sei für mich das Richtige.«
»War da schon klar, was Sie tun mussten?«
»Sie hat es so dargestellt, als wären nur Formalitäten zu erledigen, geschäftlich, meine ich . . .«
»So wie die 10 000 für Pacheca . . .«
|360| »Mehr oder weniger . . .«
». . . und der Verkauf von zwei
pipas
Portwein?«
»Wie sollte ich wissen, dass Sie es merken würden? Dona Madalena meinte, Sie seien ein verwöhnter Junge. Sie hätten in Ihrem
Leben nie gearbeitet, würden Millionen erben und wollten ihr die Quinta wegnehmen.«
»Eine Rechtfertigung hat sie also auch? Na schön. Reichte ihr das nicht, was Friedrich ihr hinterlassen hat?«
»Das würden alles Sie kriegen, hat sie gesagt, die Quinta, das Haus oben. Nur wenn Sie verschwinden würden, hätten wir alles
bekommen, wir, die Mitarbeiter . . .«
». . . von denen Sie einige bereits vertrieben haben. Also kannten Sie die Erbregelung?«
»Nur das, was Dona Madalena mir erzählt hat. Ich sollte dafür sorgen, dass möglichst alle verschwinden.«
»Auch der Kellermeister?«
»Der zuletzt.«
»Und Sie haben Dona Madalena geglaubt? Die Sache ist doch viel früher geplant worden. Wir werden sehen, wann die ersten Verkaufsverhandlungen
geführt worden sind, wann es zu ersten Sondierungen bei Maklern und den Hotelleuten gekommen ist. Wer hat eigentlich die Treppe
angesägt?«
»Roberto!«
»Der Mann von Dona Firmina?« Obwohl Nicolas es geahnt hatte, war es doch ein Schlag. Er hatte der Haushälterin vertraut, hatte
geglaubt, Sympathie zu spüren, und musste begreifen, dass er sich
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