Der Portwein-Erbe
gezogen?«, fragte
Dona Madalena mitfühlend. »Nun ja, du hast Schlimmes erlebt. Und trotzdem willst du bleiben, wie ich hörte.«
»Ich habe einen Auftrag . . .«
»Ihr Männer. Das bildet ihr euch immer ein, ihr hättet einen Auftrag, einen Befehl. Müsst ihr ein höheres Wesen anrufen, um
eure Taten zu rechtfertigen? Wer hat ihn dir gegeben, diesen Auftrag?«
»Friedrich . . .«
|366| Dona Madalena wurde blass, einen Augenblick glaubte Nicolas, sie würde die Fassung verlieren. Ihr Gesicht bekam diesen unnahbaren
Ausdruck, der sie hässlich machte.
»Ich habe einen Salat vorbereitet.«
Sie drückte Nicolas den Longdrink in die Hand und holte die Salatteller. Sie setzten sich, nachdem sie die Kerzen angezündet
hatte. »Erzähl mir von den schrecklichen Ereignissen neulich.«
Nicolas tat es, und er ließ nichts aus. Dona Madalena hörte unbewegt zu. Diese Frau musste total abgebrüht sein, einen eisernen
Willen haben, wenn sie die Schilderung der Ereignisse, an denen sie nicht unbeteiligt war, derart gelassen über sich ergehen
lassen konnte. Oder war sie so unerbittlich?
»Der reine Horror«, sagte sie kühl. »Und wie kommt man darüber hinweg?«
»Ich weiß es nicht. Indem man weiter sein Ding macht, sich nicht einschüchtern lässt, auf seine Freunde baut und konsequent
bleibt.«
»Und das bist du?« Als Nicolas nicht antwortete, fragte sie: »Was steckt hinter der Entführung? Wer kommt auf eine derart
absurde Idee? Wem nutzt das? Ein derart hohes Risiko geht niemand grundlos ein.«
»Durchaus nicht. Die Forderung der Entführer war klar: Ich soll auf die Quinta verzichten, dann würde Rita nichts passieren.«
»Heiliger Himmel, und wer ist Rita?«
»Du kennst sie möglicherweise. Sie war einige Male hier, sie ist Reiseleiterin und hat Weintouristen hergebracht. Sie hat
ab und zu mit Friedrich debattiert und sich in der Bibliothek umgesehen.«
»Ja, die Bibliothek ... dann meinst du diese Romanistin? Was hast du mit ihr zu tun?«
»Sie ist meine Freundin.«
|367| »Das ist ja schrecklich, sie da hineinzuziehen.«
»Sie ist in Sicherheit, man hat sie rechtzeitig aus der Schusslinie gebracht, wir brauchen uns um sie keine Sorgen zu machen.«
»Wie fürsorglich.« Es klang zynisch, doch Dona Madalena verriet mit keiner Miene, was sie wirklich davon hielt. Sie wusste
doch bereits alles, sie steckte hinter allem, sie war die treibende Kraft.
Sie waren mit dem Salat fertig. Der Duft des Lammrückens und des Estragons verbreiteten sich im Raum. Nicolas machte keine
Anstalten, den nächsten Gang aus der Küche zu holen. Er ließ sich bedienen. Den Wein allerdings, die Reserva der Quinta do
Amanhecer von 1998, entkorkte er selbst, roch am Korken und schenkte ein. Nichts zu beanstanden, nichts am Duft, was ihn störte
oder misstrauisch machte. Dona Madalena setzte sich.
»Wir haben nicht viel miteinander geredet, seit du hier bist. Du bist dauernd unterwegs, kaum zu erreichen. Vielleicht wäre,
wenn du dir mehr Zeit genommen hättest, einiges leichter gewesen, nicht so missverständlich.«
»Zum Beispiel?«, frage Nicolas. Das Lamm war großartig, es zerging auf der Zunge. Nicolas aß mit Genuss, er stellte sich vor,
dass das Olivenöl von seinen Bäumen stammte. Der Wein passte noch nicht ganz, er war zu hart, er hätte ihn dekantieren sollen.
Das Kastanienpüree, obwohl es eingefroren gewesen war, hatte eine schöne Konsistenz, einzelne Stückchen waren bissfest. Alles
schmeckte wunderbar. Der Rahmen war festlich, ein Dinner, wie er es sich mit Rita gewünscht hätte, aber er saß hier mit der
Mörderin seines Onkels. Was konnte absurder sein?
»Missverständlich wie die Todesursache deines ehemaligen Lebensgefährten? Er wird auf Veranlassung seines Bruders, also meines
Vaters, morgen exhumiert.«
Dona Madalenas Hand mit der Gabel erstarrte über dem |368| Teller. Der Mund, der sich vorbereitet hatte, den Happen aufzunehmen, stand offen.
»Es ist alles vorbereitet. Friedrichs Anwalt, Dr. Pereira aus Porto, kümmert sich darum. Ich gehe nicht hin, ich könnte das
nicht ertragen.«
Die Gabel sank auf den Teller. Dona Madalena kam zu sich, sie sah auf ihre Uhr. »Hättest du mir das nicht vorher sagen können?«
»Du bist doch über alles bestens informiert, was bei mir da unten auf der Quinta vorgeht. Dr. Veloso hat also nichts gesagt.
Er war heute schon nicht mehr in seiner Praxis. In seiner Wohnung ist er auch nicht mehr aufgetaucht. Ich war am
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