Der Portwein-Erbe
Schmetterling, bei ihrem Tattoo am Oberarm – ich hätte es wissen müssen .
. .«
Bis Tegel lamentierte er weiter – demnach war er doch nicht darüber hinweg – und wie sie am Vortag mit ihm am Telefon Schluss
gemacht hatte, ». . . am Telefon! Ein Wunder, dass es keine SMS war«, wiederholte er empört, »zu feige, es mir ins Gesicht
zu sagen. Ich hätte es wissen müssen. Am liebsten würde ich nach Portugal mitkommen«, brummte Happe, als er vor der Abflughalle
hielt. »Wie sind eigentlich die Portugiesinnen?«
»Keine Ahnung«, meinte Nicolas lachend beim Aussteigen und griff nach seiner Reisetasche. Wenn Happe sich das fragte, war
er allerdings über das schwierigste Stadium hinaus, und er brauchte sich keine Sorgen um ihn zu machen. »Bei meiner Tour damals
habe ich nur Engländerinnen getroffen, aber ich glaube, Portugiesinnen sind ziemlich klein, also mehr was für dich als für
mich.«
»Bestell ihnen Grüße von mir, und wenn du eine triffst, die einigermaßen normal ist, ruf an – abgemacht? He, vergiss den Zeichenblock
nicht.« Er reichte ihm die Mappe vom Rücksitz. »Vergiss das Wiederkommen nicht, Mann, ich hole dich ab ... und sollten sie
im Kanzlerbunker so weitermachen, komme ich auf jeden Fall nach und werde bei dir Traubenpflücker. Die Penner kommen auf die
Idee und ziehen für Afghanistan noch Reservisten ein. Ich habe gedient . . .«
»Es wird Zeit, dass du verweigerst, das geht auch nachträglich.«
|45| ». . . die Portugiesen, die latschen doch in den Trauben rum, mit nackten Füßen, hast du gesagt. Wenn du mich anstellst, Schuhgröße
43 – ich trete für zwei.« Die Freunde umarmten sich, Happe grinste verlegen und bedeutete Nicolas zu warten. »Hier«, er drückte
ihm ein Büchlein in die Hand. »Zum Mitreden – das hält dir die Klugscheißer vom Leib – oder werd selbst einer.«
›Bluff your way in Wines‹ – stand auf dem Umschlag. Bluff dich ins Weingeschehen. Nicolas schmunzelte, typisch für Happe,
der ihn merkwürdig ansah, als ginge ihm der Abschied doch nah, oder er nahm ihn nicht ganz ernst. Als Nicolas sich noch einmal
umdrehte, war Happe bereits unterwegs.
Der Flug war nicht das Schlimmste an der Reise, schlimmer waren die Kontrollen. Es war Nicolas körperlich zuwider, dass er
den Inhalt seiner Taschen in eine Plastikschüssel legen und sich halb ausziehen musste, sein Gepäck durchleuchtet wurde und
er von fremden Händen angegrabscht wurde. Happe in seiner direkten Art hielt es nicht für eine Maßnahme zur Sicherheit der
Passagiere, seiner Ansicht nach sollte sich der Bürger daran gewöhnen, überall und zu jeder Zeit kontrolliert, durchleuchtet
und beobachtet zu werden, niemand sollte sich sicher fühlen, keine Sekunde, weder am Boden noch in der Luft. Und als Nicolas
seine Reisetasche auspacken sowie die Zeichenmappe öffnen musste und dann noch aufgefordert wurde, in eine kleine Kammer mitzukommen,
wo man den Staub seines Reisegepäcks mittels Spektralanalyse auf Sprengstoff oder Marihuana untersuchte – anscheinend hielt
der freiheitlich demokratische Staat beides für gleichermaßen gefährlich –, musste er sich zusammenreißen, um der Frau gegenüber,
die ihn zu der Prozedur zwang, nicht ausfallend zu werden. Sie hatte ihn vom ersten Blick an im Visier gehabt, bereits in
der Warteschlange.
|46| Erleichtert folgte er dem Aufruf, an Bord zu gehen. Glücklicherweise saß er am Mittelgang und konnte seine Beine einigermaßen
unterbringen. Beim Start genoss er den Blick auf die Stadt, auf ihr Grün, die Wälder und Seen ringsum. Er freute sich auf
die Rückkehr, auf den Sommer und dachte an Sylvias kategorische Weigerung, nicht nach Portugal zu kommen. Wozu auch? Darum
ging es gar nicht. Es ging um Friedrich, es ging darum, etwas über sein Leben zu erfahren und weshalb er ihm das Weingut mit
derartigen Auflagen vererbt hatte. Wollte er lediglich den Anschein erwecken, als hätte er es der Familie hinterlassen, die
sich nun zu fein war, es zu betreiben? Hatte er sie alle sogar noch im Tod vorführen und beschämen wollen?
Nein, das war nicht seine Art, das passte nicht zu ihm, so wie Nicolas ihn kannte. Er hatte ihn als humorvollen und geradlinigen
Menschen in Erinnerung, der sich einen Dreck um Konventionen scherte. »Löse dich, mach dich frei, stell dich auf die eigenen
Beine«, hatte er ihm damals lachend gesagt. »Es gibt sie gar nicht, die Familie, alles Fiktion und Konvention«,
Weitere Kostenlose Bücher