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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gewesen, finanziell, soweit er wusste. Woran mochte er gestorben sein? Nie war die Rede von Krankheit
     oder einem Leiden gewesen, nichts, was Nicolas gewusst hätte, oder hatte man ihm etwas verheimlicht? Man hatte es damals sowieso
     für falsch gehalten, dass er ihn besucht hatte – wegen des schlechten Einflusses. Dabei fand er den Typ großartig, der einzige
     Erwachsene, mit dem er damals vernünftig hatte reden können. Ob der Anwalt wusste, woran er gestorben war?
    Nicolas nahm den Brief erneut zur Hand: »am 18. April verstorben«. Kein Wort über die Umstände. Seinen Vater würde er niemals
     danach fragen, um sich das Lamento zu ersparen, dass er nicht in die Firma eintrat, die Frage, ob er sich endlich die Hörner
     abgestoßen habe, schließlich sei er der Erbe, man könne seiner Bestimmung nicht ausweichen und müsse wissen, was man wolle.
     Mit dreißig sei die Zeit der Spielerei vorbei, er hätte damals bereits ... – und der ganze Scheiß von wegen seiner primitiven
     Existenz. Arme Leute zu imitieren, rieche nur mutig. Nicolas wusste nicht, was sein Vater in Wirklichkeit von ihm wollte.
     Er nahm an, dass er produziert worden war, um einen Erben abzugeben oder die linke Hand des Konzernchefs zu werden, damit
     der anderswo mit seinem Sohn angeben konnte. »Du kommst hoffentlich nicht auf meinen Bruder.« Wenn er sich den Vater hätte
     aussuchen können, hätte er Friedrich genommen. Doch nun war er tot – und Kinder hatte er nicht ...
    Nicolas überlegte, wen von seiner Mischpoke er anrufen und fragen könnte, wer mehr wusste. Er sollte sich gleich mit dem Anwalt
     in Verbindung setzen, der würde auf jeden Fall mehr wissen. Seine Telefonnummer stand auf dem Briefkopf. Am anderen Ende der
     Leitung meldete sich leider nur eine freundliche Telefonstimme, die Bürozeiten ansagte. Er würde sich bis zum nächsten Tag
     gedulden müssen.
    |13| Sein Vater würde bestimmt mehr über die näheren Todesumstände wissen, aber ihn anrufen? Sich dumme Sprüche anhören? »Hast
     du dich endlich entschieden, hier deinen Schreibtisch zu besetzen, oder besetzt du Häuser?« Es war das Schlimmste für den
     Vater, dass er es als Nachfolger eines der großen Bauunternehmer hatte hinnehmen müssen, dass sein Bruder in den Siebzigerjahren
     in Frankfurt Häuser besetzt und sich auf der Straße mit der Polizei geprügelt hatte. Wie auch Nicolas’ Großvater war er nie
     darüber hinweggekommen. Für sie war es Klassenverrat gewesen. »Hast du noch immer nicht kapiert, wo du hingehörst?«, war ein
     anderes Lieblingszitat seines Vaters. Nein, ich habe es noch immer nicht begriffen, dachte Nicolas, das Richtige hat sich
     nicht gezeigt – oder habe ich nicht hingeschaut? Aber wieder nach Frankfurt, um in den Konzern seines Vaters einzutreten?
     Weder tot noch lebendig. Sollte sein Vater sich gegen jede Erwartung diese Sprüche verkneifen, würde er sicher mit anderen
     Floskeln aufwarten, nach dem Motto: »Einmal sind wir alle dran, ich hoffe, dass es schnell geht.« Nach einem Unglück auf einer
     Baustelle hatte er Nicolas mit dem Ausspruch schockiert: »Opfer müssen eben gebracht werden.« Durchaus, solange es nicht eigene
     waren ...
    Also kam ein Anruf bei seinem Vater nicht in Frage – Friedrich hatte das nicht verdient. Nicolas hatte ihn als Mann in Erinnerung,
     der gewusst hatte, was er wollte. Er selbst bestimmte seine Lebensumstände mehr danach, was er nicht wollte. Nicolas stutzte,
     als er merkte, wie schnell er akzeptierte, dass »Nelken-Friedrich«, wie sie ihn genannt hatten, tot war.
    Wenn er sich recht erinnerte, war Friedrich 1974 nach Portugal gegangen. Wenig später hatten Nicolas’ Eltern sich kennengelernt
     und kurz darauf geheiratet. Als er geboren wurde, lebte Friedrich bereits seit drei Jahren in Portugal. Es gab ein Foto von
     seiner Taufe, da war er mit drauf. Wild  |14| hatte er ausgesehen, Bart, langes Haar, Lederjacke, das Enfant terrible im Familienkreis und ein Schreckgespenst für die Frankfurter
     Society, erinnerte er sie doch an die Drohung mit sozialistischen Experimenten und die Enteignung derer, die wie sie im Überfluss
     lebten. Heute dachte Nicolas zum ersten Mal daran, dass Friedrich seine Geburt etwas bedeutet haben musste, wenn er eigens
     zur Taufe angereist war. Nein, seine Mutter konnte er nicht fragen. Friedrich war für sie ein Fremder, sowohl als Mann wie
     als Mensch unbegreiflich. Oh, war das zu böse gedacht? Menschen wie Friedrich waren in ihrer Welt

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